Was passiert wenn man nicht zum Termin beim Jobcenter kommt?

Der Bundesrat hat am 10.6.2022 das elftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gebilligt. Damit erfolgt eine Aussetzung von Hartz IV-Sanktionen bis Mitte 2023. Danach soll eine Reform des SGB II regeln, welche Handhabe die Jobcenter erhalten sollen, wenn sich einzelne Leistungsberechtigte vollständig verweigerten und etwa zumutbare Arbeitsangebote nicht annähmen.

Grund für das Moratorium ist einerseits die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einführung eines Bürgergeldes, im Zuge derer auch das Sanktionsregime umfassend neugeregelt werden soll. Anderseits muss der Gesetzgeber eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2019 umsetzen. Dieses hatte die bisherigen Sanktionen teilweise für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt.

Übergangslösung bis zur gesetzlichen Neuregelung 2023

Als Zwischenschritt zu einer gesetzlichen Neuregelung setzt das Gesetz die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen befristet für ein Jahr ab Inkrafttreten aus. Danach soll das Bürgergeld die Mitwirkungspflichten und die Folgen der Verstöße neu regeln. Die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse - ergänzt um die praktischen Erfahrungen aus der Zeit der Pandemie - sollen ausgewertet und in die Konzeption des Bürgergeldes einbezogen werden.

Durch die Aussetzung der Sanktionsvorschrift in § 31a SGB II sind im Zeitraum des Moratoriums Pflichtverletzungen nicht sanktionierbar. Verminderte Bezüge, die die Behörden vor Inkrafttreten des Gesetzes festgelegt haben, sind dann wieder in voller Höhe zu zahlen.

Ausnahme: Wiederholte Terminverletzungen

Bei wiederholten Meldeversäumnisse oder Terminverletzungen erfolgen allerdings auch künftig Leistungskürzungen von bis zu 10 Prozent des Regelsatzes.

Inkrafttreten zur Jahresmitte

Nach Abschluss des parlamentarischen Verfahrens kann das Gesetz nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet, ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden und wie geplant zum 1.7.2022 in Kraft treten.

Verstößt der ALG II-Bezieher gegen bestimmte Pflichten, muss er mit der Verhängung von Sanktionen (Strafmaßnahmen) rechnen. Das Gesetz hält in § 31 SGB II einen ganzen Katalog von infrage kommenden Sanktionsmitteln bereit. Sie richten sich nach der Art und Schwere der Pflichtverletzung, die dem Leistungsempfänger zur Last gelegt wird. Als Folge können sie zu Kürzungen der ALG II-Leistungen, aber auch zu ihrem völligen Ausschluss führen.

Problematisch dabei ist, dass bereits die geringste Kürzung der Hartz IV Leistungen den Hilfebedürftigen unter das Existenzminimum setzt.

Inhaltsverzeichnis

Sanktionsmoratorium beschlossen

Update von 29.11.2022: Durch die Einführung des Bürgergeldes ab 2023 wird § 84 SGB II – Übergangsregelung zum Aussetzen der Sanktionen bis zum 01.07.2023 – gestrichen. Damit können Sanktionen bei Hartz 5 direkt von Anfang an wieder Leistungskürzungen erfolgen.

Bereits im Jahr 2019 hat das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung bei den Sanktionen (im Behördendeutsch: Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen) gefordert und festgestellt, dass alle Leistungskürzungen von mehr als 30 Prozent des Regelsatzes verfassungswidrig seien. (Urteil vom 05.11.2019 (Az. 1 BvL 7/16) Dies hat sich die Ampel-Koalition auch auf die Fahne geschrieben und hatte vor, Hartz IV Sanktionen für ein Jahr auszusetzen, bis zur Einführung des Bürgergeldes ab 2023 – wie es im Koalitionsvertrag der regierenden Parteien SPD, Grüne und FDP heißt. Dem Sanktionsmoratorium für ein Jahr ab Inkrafttreten hat nun der Bundestag am 19.05.2022 zugestimmt, so dass die Hartz IV Sanktionen – zumindest bei den meisten Pflichtverletzungen – bis Mitte 2023 ausgesetzt werden. Wer allerdings ohne wichtigen Grund einen Termin im Jobcenter nicht wahrnimmt, muss auch weiterhin mit Hartz IV Leistungskürzungen bei Meldeversäumnissen rechnen.

Insgesamt ist dies nur ein Teil des ursprünglichen Vorhabens der Koalition. Einerseits werden nicht ausnahmslos alle Hartz IV Sanktionen ausgesetzt. Bis zur endgültigen Umsetzung in einem Gesetz werden dann noch ein paar Monate verstreichen, so dass man frühestens mit einer Aussetzung der Hartz IV Sanktionen ab Sommer 2022 rechnen kann. Darüber hinaus hat die Regierung bereits signalisiert, dass es auch Sanktionen beim neuen Bürgergeld geben wird. Der Umfang ist jedoch noch nicht geregelt.

13.05.2022: Hartz IV Sanktionen werden länger auf Eis gelegt

Schriftliche Rechtsfolgenbelehrung

Zwar haben Jobcenter einen gewissen Ermessensspielraum bei der Verhängung von Leistungskürzungen, dennoch muss ihr eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung vorangehen.

Es reicht nicht aus, wenn der Sachbearbeiter schreibt, dass bei Pflichtverletzungen Sanktionen drohen. Die Belehrung zu den Rechtsfolgen muss je Einzelfall konkret, verständlich und ausreichend begründet erfolgen. Ansonsten ist die Verhängung von Strafen nichtig und der Leistungsbezieher sollte Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid einlegen.

Zu der Rechtsfolgenbelehrung gab es bereits Urteile vom LSG Hamburg (Az. L 5 AS 78/09 vom 18.08.2010) sowie SG Gießen (Az. S 29 AS 676/11 vom 14.01.2013).

Funktionsweise der Sanktionen

Prinzipiell ist zu unterscheiden zwischen der Verletzung von

  • bestimmten Verhaltenspflichten
  • bestimmten Melde- und Mitwirkungspflichten

Grundsätzlich knüpft das Gesetz an die Verletzung von Verhaltenspflichten folgenschwere Sanktionen, denn mit diesen Pflichtwidrigkeiten verstößt der ALG II-Bezieher gegen seine grundlegende Verpflichtung zur Wiedereingliederung in Arbeit.

Daneben regelt das Gesetz einige Sonderfälle von Pflichtverstößen. Liegen besondere Voraussetzungen vor, kommen die gleichen Sanktionen infrage wie bei der Verletzung der übrigen Pflichten (§ 31 Abs. 2 SGB II).

Verstoß gegen Verhaltenspflichten

Der Arbeitslose im ALG II-Bezug hat alle sich ihm bietenden Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen.

Insbesondere ist er verpflichtet, aktiv an sämtlichen Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt mitzuwirken.

Verstößt er gegen diese zentralen Verhaltenspflichten, sieht das Gesetz bei einem ersten Pflichtverstoß eine Kürzung der Regelbezüge um 30% vor.

Solche Leistungskürzungen können dann verhängt werden, wenn der ALG II-Empfänger sich trotz vorheriger Belehrung über die drohenden Rechtsfolgen weigert,

  • nach Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung entsprechende Eigenbemühungen zu entfalten und nachzuweisen,
  • eine zumutbare Arbeit, Arbeitsgelegenheit (auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) oder Ausbildung aufzunehmen oder fortzuführen
  • oder wenn der Leistungsbezieher eine zumutbare Bildungsmaßnahme abbricht oder ihren vorzeitigen Abbruch zu verantworten hat (bspw. bei wiederholtem und unentschuldigtem Fehlen oder bei grober Missachtung der Unterrichts- oder Betriebsordnung).

Hinweis: Bei Weigerung eine Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen, fallen nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 keine Sanktionen an. Das Unterschreiben der EGV gehört nicht zu den dort aufgelisteten Pflichtverletzungen.

Verstoß gegen Melde- und Mitwirkungspflichten

Eine Verminderung der Regelbezüge um 10% drohen, wenn der Leistungsempfänger seine Melde- und Mitwirkungspflichten verletzt.

Die Sanktion kann verhängt werden, wenn der ALG II-Bezieher trotz erfolgter Belehrung über die Rechtsfolgen nicht der Aufforderung nachkommt,

  • sich bei dem Leistungsträger persönlich zu melden
  • oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen.

Ist der ALG II-Bezieher erkrankt, kann der Leistungsträger festlegen, dass die Aufforderung für den ersten Tag der wiederhergestellten Arbeitsfähigkeit gilt. Auch die Verletzung dieser Meldepflicht kann die erwähnten Sanktionen nach sich ziehen.

Keine Sanktionen bei wichtigem Grund

Der Leistungsempfänger hat keine Sanktionen zu befürchten, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der sein pflichtwidriges Verhalten im Einzelfall entschuldigen kann.

Dabei ist eine Abwägung vorzunehmen, die ein besonderes Überwiegen der für den ALG II-Empfänger sprechenden Gesichtspunkte und Gründe ergeben muss. Wichtige Gründe können deshalb nur in Ausnahmefällen anerkannt werden.

Besonders bei Verhaltenspflichten

Das gilt vor allem im Bereich der Verhaltenspflichten, weil der Leistungsempfänger nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich zur Arbeitsaufnahme verpflichtet ist.

Wichtige Gründe, die zur Ablehnung einer zumutbaren Arbeit berechtigen können, sind beispielshalber, wenn

  • die Arbeitsaufnahme die Erziehung eines unter dreijährigen Kindes gefährden würde,
  • die Arbeitsaufnahme mit der Pflege eines Angehörigen unvereinbar wäre (wobei die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann)
  • oder der Leistungsbezieher körperlich, geistig oder seelisch nicht zur Arbeitsaufnahme in der Lage ist.

Sonderfälle

Sanktionen sieht das Gesetz auch in einer Reihe besonders geregelter Sonderfälle vor, die den Pflichtverletzungen im Bereich der Melde-, Mitwirkungs- und Verhaltenspflichten gleichgestellt sind. Diese Ausnahmefälle sind angesichts ihrer praktischen Bedeutung eigens gesetzlich benannt (§ 31 Abs. 2 SGB II).

Sanktionen können danach auch verhängt werden, wenn der ALG II-Bezieher

  • sein Einkommen oder Vermögen nach Vollendung des 18. Lebensjahres in der Absicht vermindert hat, einen Anspruch oder eine Erhöhung von ALG II zu erwirken,
  • trotz erfolgter Belehrung über die Rechtsfolgen sein unwirtschaftliches Verhalten nicht ändert (etwa ständig ungerechtfertigt hohe Strom- oder Telefonkosten),
  • deshalb kein ALG I erhält, weil der Anspruch wegen der Verhängung einer Sperrzeit ruht oder erloschen ist (Fälle des § 159 SGB III)
  • oder die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die zum Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf ALG I führen würde.

Höhe der Hartz IV Sanktionen

Das Gesetz enthält ein abgestuftes Sanktionssystem, das für die Verletzung von Verhaltens- und Melde- und Mitwirkungspflichten unterschiedliche Folgemaßnahmen androht. Dabei ist die Beharrlichkeit des pflichtwidrigen Handelns entscheidend. Maßgeblich ist somit die Häufigkeit der Verstöße gegen Verhaltens- oder Meldepflichten, die eine Sanktionierung in den Augen der Jobcenter rechtfertigen würden.

Wiederholte Verstöße gegen Verhaltenspflichten

Führt die erstmalige Pflichtverletzung nur zu einer 30%igen Leistungskürzung, droht beim wiederholten Pflichtverstoß innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr eine Verminderung der ALG II-Regelbezüge um 60% (§ 31a Abs. 1 S. 2 SGB II). Achtung: Bei jeder weiteren Pflichtwidrigkeit innerhalb des maßgeblichen Einjahreszeitraumes entfällt der Anspruch auf ALG II vollständig (§ 31a Abs. 1 S. 3 SGB II).

Anmerkung der Redaktion vom 29.03.2022: In seinem Urteil vom 05.11.2019 (Az. 1 BvL 7/16) verkündete das Bundesverfassungsgericht, dass Sanktionen in Form einer Kürzung von mehr als 30 Prozent des Regelsatzes oder höher nicht verfassungsmäßig sind und somit nicht mehr anzuwenden sind. Dieses Sanktionsmoratorium nach der Übergangsregelung des § 84 SGB II gilt eigentlich bis zum Ablauf des 01.07.2023. Durch die Einführung des neuen Bürgergeldes zum 01.01.2023 wird diese Regelung jedoch gestrichen, so dass beim Bürgergeld vom ersten Tag an Leistungskürzungen möglich sind, allerdings zunächst 10 Prozent für einen Monat. Bei weiteren Pflichtverletzungen können es bis zu 30 Prozent für einen Zeitraum von drei Monaten sein.

Milde bei nachträglicher Bereitschaft

Werden bei solchen weiteren Pflichtverletzungen die Regelleistungen komplett gestrichen, sieht das Gesetz allerdings die Möglichkeit vor, die Minderung auf 60% des Regelsatzes zu beschränken.

Das setzt jedoch voraus, dass der Leistungsempfänger sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen (§ 31a Abs. 1 S. 6 SGB II).

Wiederholte Verstöße gegen Meldepflichten

Lässt sich der Leistungsempfänger nach der ersten Pflichtwidrigkeit eine zweite Verletzung seiner Melde- oder Mitwirkungspflicht zuschulden kommen, droht auch hier die Reduzierung der Regelbezüge über die 10% bei einmaliger Pflichtverletzung hinaus.

Bei wiederholter Verletzung der Meldepflicht ermäßigt sich die Regelleistung um den Prozentsatz, der sich aus der Summe der vorangegangenen Absenkung und zusätzlichen 10% ergibt.

Die Kürzung der Regelbezüge beträgt damit nach der zweiten Pflichtwidrigkeit insgesamt 20%.

Begeht der ALG II-Bezieher weitere Pflichtverletzungen, erfolgt die Senkung der Bezüge in den angedeuteten zusätzlichen Abschlagsschritten auf den Regelsatz von jeweils weiteren 10%.

Auch bei wiederholten Meldepflichtverletzungen gilt grundsätzlich, dass eine Ahndung nur in Betracht kommt, wenn seit Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraumes noch kein Jahr verstrichen ist (§ 31a Abs.1 S.5 SGB II).

Dauer der Sanktionen bei Hartz IV

Die Regelleistungen werden jeweils für die Dauer von drei Monaten gekürzt oder entzogen (§ 31b Abs.1 SGB II).

Achtung: Erfolgt in diesem Zeitraum aber eine erneute Pflichtverletzung, beginnt ein weiterer Dreimonatszeitraum.

Die Sanktionswirkung selbst tritt in dem Kalendermonat ein, der auf den Zugang des Verwaltungsaktes folgt, in dem die Kürzung oder der Wegfall der Regelleistungen rechtskräftig festgestellt wird.

Ermessensspielraum bei Hartz IV Sanktionen

Bei einer Minderung der Regelbezüge um mehr als 30% ist für den Leistungsträger Ermessen eröffnet (§ 31a Abs. 3 S. 1 SGB II).

Das Ermessen gibt dem Leistungsträger die Befugnis, bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen im Einzelfall ergänzende Hilfe zu gewähren, um die Grundsicherung des Leistungsbeziehers sicherzustellen.

Beispiel: Das ist etwa dann der Fall, wenn die Regelsatzkürzungen dazu führen, dass das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet wäre. Unter diesen Voraussetzungen können zusätzliche Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden, wie zum Beispiel Lebensmittelgutscheine.

Ergänzende Leistungen bei Kindern in Bedarfsgemeinschaft

Das Ermessen reduziert sich und verschafft dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf ergänzende Unterstützung, wenn er mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt.

In diesen Fällen ist der Träger in der Regel verpflichtet, ergänzende Leistungen zu erbringen (§ 31 Abs. 3 S. 7 SGB II) siehe hierzu auch das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen AZ L 7 B 211/09 AS.

Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen für den ALG II-Empfänger allerdings nicht. Das Gesetz schließt zusätzliche ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt (insbesondere Sozialhilfe) ausdrücklich aus (§ 31a Abs. 3 S. 2 SGB II).

Sanktionen bei Hartz IV Beziehern U25

Leistungsempfänger unter 25 Jahren unterliegen verschärften Sanktionsandrohungen, wenn sie gegen ihre Verhaltenspflichten (etwa Arbeitsantritt) verstoßen.

Schon bei einmaliger Pflichtverletzung entfällt für die Dauer von drei Monaten der Bezug der Regelleistungen. Der Leistungsträger übernimmt in dieser Zeit nur die Kosten für Unterkunft und Heizung, die aber unmittelbar an den Vermieter ausgezahlt werden (§ 31 Abs. 3 S.3 SGB II).

Der Zeitraum von drei Monaten kann allerdings auf sechs Wochen verkürzt werden, wenn besondere Umstände vorliegen. Zudem besteht auch bei Leistungsempfängern unter 25 Jahren grundsätzlich die Möglichkeit, ergänzende Sach- oder geldwerte Leistungen zu erbringen.

Kommt es zu einer weiteren Verletzung von Verhaltenspflichten, werden die ALG II-Bezüge komplett gestrichen, sodass auch die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht mehr getragen werden (§ 31a Abs. 1 S. 3 SGB II). Der Leistungsträger kann hiervon jedoch absehen, wenn der ALG II-Bezieher sich nachträglich bereit erklärt, seine Pflichten zu erfüllen.

Erstmalige Verletzung von Meldepflichten folgenlos

Dagegen bleibt die erstmalige Verletzung von Meldepflichten bei ALG II-Empfängern unter 25 Jahren folgenlos. Erst bei wiederholter Pflichtverletzung kommt es zu Sanktionen.

Wie in den sonstigen Fällen werden die Regelbezüge mit jeder begangenen Pflichtwidrigkeit jeweils in Schritten von 10% gekürzt.

Rechtsbehelf gegen Hartz IV Sanktionen

Widerspruchsfrist gegen Sanktionsbescheid – 1 Monat

Sanktionen, die zur Kürzung oder zum völligen Ausschluss der Regelbezüge führen, greifen in die Rechte des Leistungsempfängers ein und bedürfen daher immer der Schriftform. Daher müssen sie als schriftlicher Bescheid (Verwaltungsakt) dem ALG II-Bezieher zugestellt werden und müssen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sein.

Der Leistungsempfänger kann gegen diesen Sanktionsbescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Leistungsträger, der den Bescheid erlassen hat, Widerspruch erheben. Den Widerspruch kann er auch einlegen, indem er ihn persönlich beim Leistungsträger zu Protokoll gibt.

Erneute Prüfung durch Behörde

Die Behörde prüft daraufhin den Sachverhalt erneut. Der Hartz 4 Empfänger kann dabei mit seinem Widerspruch nicht nur beanstanden, dass die Voraussetzungen zur Leistungskürzung nicht gegeben waren, weil das Jobcenter etwa das Vorliegen eines wichtigen Grunds übersehen hat.

Er kann auch rügen, dass ein dem Sachbearbeiter eröffnetes Ermessen gar nicht oder aber fehlerhaft ausgeübt wurde und deshalb eine Leistungsminderung erfolgte oder die Gewährung ergänzender Leistungen unterblieben ist.

Wichtig: Bei der Kürzung von Hartz 4 Leistungen handelt es sich um die Kürzung des lebensnotwendigen Existenzminimums. Daher empfehlen wir ausdrücklich, parallel zum Widerspruch an das Jobcenter auch gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz sowie die vorläufige Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beim Sozialgericht zu beantragen.

Widerspruchsbescheid

Teilt die Behörde die Ansicht des Leistungsempfängers, gibt sie dem Widerspruch statt, hebt den Erstbescheid auf und erlässt einen neuen Verwaltungsakt. Hält sie an ihrer Meinung fest, weist sie den Widerspruch zurück und erlässt einen schriftlichen Widerspruchsbescheid.

Möglichkeit der Klage

Der Hartz 4 Bezieher kann gegen den Widerspruchsbescheid Klage beim Sozialgericht erheben. Die Frist hierfür beträgt einen Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

Keine Kosten

Kosten entstehen dem Leistungsempfänger dabei nicht, da Verfahren vor dem Sozialgericht kostenfrei sind. Hier können sich Betroffene im Rahmen der Beratungshilfe aber von einem Anwalt beraten lassen. Dieser würde auch – bei Aussicht auf Erfolg des Verfahrens – Prozesskostenhilfe (Verfahrenskostenhilfe) für das gerichtliche Verfahren beantragen.

Das Sozialgericht prüft den Sachverhalt umfassend neu. Das gilt auch für die Einhaltung eines des Jobcenters möglicherweise eingeräumten Ermessens bei der angefochtenen Entscheidung.

Entwicklung der Sanktionen

Bereits im Jahr 2010 hat die damalige Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angekündigt, das härter und konsequenter gegen Pflichtverletzungen sanktioniert werden muss. Die Folge: Im Zeitraum zwischen November 2011 und Dezember 2012 erreichten die Hartz IV Sanktionen einen noch nie dagewesenen Höchstwert (über eine Million), wie der Chart zeigt.

Der Abwärtstrend der Leistungskürzungen erreichte im Jahr 2016 seinen Wendepunkt, sodass ab 2017 die Sanktionen wieder zunahmen. Zudem ist sehr auffällig, dass die Leistungskürzungen aufgrund von Meldeversäumnissen wieder rasch zugenommen haben, während andere Sanktionsgründe eher rückläufig sind. Im Jahr 2019 gab es zwar knapp 97.000 Sanktionen weniger als im Vorjahr, jedoch ist in demselben Jahr auch die Gesamtanzahl der ALG II Bezieher in Deutschland gesunken. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht in 2019 alle Sanktionen, die mehr als 30 Prozent des maßgeblichen Regelsatzes kürzen, für verfassungswidrig erklärt und die Bundesregierung aufgefordert, Hartz IV Sanktionen neu zu regeln.

Auffällig ist der deutliche Rückgang der Sanktionen im Jahr 2020. Dieser Rückgang lässt sich wie folgt erklären: Laut § 67 SGB II Punkt 2.15 wurden persönliche Anhörungen und Sanktionen in Zeiten der Corona-Krise bis auf Weiteres ausgesetzt.

Am 16.03.2022 hat das Bundeskabinett dem Sanktionsmoratorium zugestimmt, welches alle Hartz IV Sanktionen (außer bei Meldeversäumnissen, die übrigens den größten Teil der Hartz IV Sanktionen ausmachen) bis zur Einführung des Bürgergeldes bzw. bis zum 31.12.2022 auszusetzen. Dieses Vorhaben wurde dann auf ein Jahr ausgeweitet, so dass der Bundestag am 19.05.2022 zugestimmt hat, die Hartz IV Sanktionen für ein Jahr ab Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum SGB II zu pausieren.

Statistik zu Hartz IV Sanktionen – 2011 bis 2022

Was passiert wenn man nicht zum Termin beim Jobcenter kommt?

In diesen Statistiken sind auch Vollsanktionen enthalten, was bedeutet dass die Leistungen durch das Jobcenter vollständig einbehalten wurden.

Lt. Angaben der Bundesagentur für Arbeit mit ihrer statistischen Auswertung aus Februar 2022 betrug im November 2021 die durchschnittliche Leistungskürzung

  • 88,00 € 

der Gesamtleistungen. Prozentual wurden Hilfebedürftigen durchschnittlich 14% der Hartz IV Leistungen gekürzt.

Das Wichtigste in Kürze zusammengefasst

Wann gibt es Sanktionen bei Hartz 4?

Das Jobcenter kann die Hartz IV Leistungen kürzen, wenn Leistungsempfänger gegen ihre oder aber verstoßen. Am 19.05.2022 hat der Bundestag einem Sanktionsmoratorium zugestimmt, welches die Hartz IV Sanktionen bis zum 01.07.2023 aussetzt.

Was tun bei Hartz IV Sanktion?

Betroffene Leistungsempfänger haben die Möglichkeit innerhalb von einem Monat nach Eingang des Sanktionsbescheids, zu erheben und so gegen den Bescheid des Jobcenters vorzugehen.

Sind Sanktionen bei Hartz 4 erlaubt?

Aktuell hat die Regierung beschlossen, die Hartz IV Sanktionen zumindest bis Mitte 2023 auszusetzen, bis das Bürgergeld eingeführt wird. Dieses Sanktionsmoratorium gilt allerdings nicht für Leiostungskürzungen wegen Meldeversäumnissen.

Was passiert wenn man Jobcenter Termin verpasst?

Soweit Leistungsberechtigte ohne wichtigen Grund nicht zu vereinbarten Terminen erscheinen, kann dies jedoch weiterhin Leistungsminderungen nach sich ziehen: Bei wiederholten Meldversäumnissen dürfen die Jobcenter die Leistung um maximal zehn Prozent des maßgebenden Regelbedarfs mindern.

Wie Termin beim Jobcenter absagen?

Begründen Sie Ihre Terminabsage und reichen Sie zeitnah einen Nachweis ein (zum Beispiel eine Krankschreibung). Bringen Sie zu jedem Gespräch im Jobcenter Ihren Personalausweis, Reisepass oder als Passersatz die Bescheinigung der Ausländerbehörde mit. Tipp: Lassen Sie sich per SMS an Ihren Termin erinnern.

Wann sperrt Jobcenter Leistungen?

Das Jobcenter kann die Hartz IV Leistungen kürzen, wenn Leistungsempfänger gegen ihre Verhaltenspflichten oder aber Melde- und Mitwirkungspflichten verstoßen. Am 19.05.2022 hat der Bundestag einem Sanktionsmoratorium zugestimmt, welches die Hartz IV Sanktionen bis zum 01.07.2023 aussetzt.

Wie lange lässt mich das Arbeitsamt in Ruhe?

Das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei einer Sperrzeit droht immer dann, wenn der Betreffende sich vertragswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.