Wer ist als kind aus dem indien adoptiert worden

Manchmal fühlt sich Sarah, als wäre sie aus ihrem Geburtsland Indien „rausgerissen“ worden. Kurz vor ihrem ersten Geburtstag kam sie nach Deutschland.

Osnabrück /Hude Manchmal fühlt Sarah M. sich fremd – in Deutschland, in ihrer Heimatstadt, in ihrer Familie, in ihrer Haut. Sarah ist Deutsche. Sie ist in Deutschland aufgewachsen, zur Schule gegangen, konfirmiert worden, hat ihren Beruf erlernt. Geboren ist sie in Indien. Die großen Augen der lebendigen jungen Frau mit dem Kurzhaarschnitt blitzen auf, wenn sie erzählt.

Kurz vor ihrem ersten Geburtstag haben ihre deutschen Eltern sie adoptiert, vor fast 31 Jahren. Sarah liebt ihre Eltern, mag ihre Arbeit, geht mit Freunden aus, engagiert sich in der Kirche. Doch sie braucht klare Strukturen. Unbekanntes macht ihr Angst. „Manchmal denke ich, ich bin dort rausgerissen und hier eingepflanzt worden“, sagt sie nachdenklich.

So wie Sarah geht es vielen, die als Kind aus dem Ausland adoptiert wurden. Mathias Kopetzki hat ähnliches erlebt. Der Schauspieler aus Hude (Kreis Oldenburg) wurde mit einem Jahr adoptiert. „Das Wort ,Adoption‘ ist wohl das erste Fremdwort, das ich bewusst kennengelernt habe“, sagt er.

Leben beginnt neu

Nicht nur der Verlust der leiblichen Eltern, auch die Entwurzelung aus ihrem Kulturkreis macht vielen Kindern zu schaffen. „Wir Adoptiveltern nehmen den Kindern aus Brasilien, Indien, Russland oder Togo alles – ihre Bezugspersonen, die Sprache, die Umgebung, das Essen, die Gerüche. Das Leben beginnt für sie noch einmal neu“, sagt Erik Baus, Vorsitzender des Vereins „Eltern für Kinder“ mit Sitz in Berlin, der seit 25 Jahren Auslandsadoptionen vermittelt: „Daher ist Auslandsadoption nur zu rechtfertigen, wenn die Alternativen vor Ort noch größeres Leid bedeuten würden.“

Die Kinder hätten oft dramatische Erlebnisse hinter sich, seien vernachlässigt, misshandelt, ausgesetzt worden. „Manche können nie wieder ein normales Vertrauensverhältnis entwickeln“, sagt Baus. Deshalb sei es so wichtig, die Eltern sorgfältig auszusuchen.

Sarah wurde ihren Eltern über „terre des hommes“ vermittelt. Das Osnabrücker Kinderhilfswerk war 1967 gegründet worden, um Kriegsopfern aus Vietnam und Biafra zu helfen. 1968 wurden die ersten vietnamesischen Waisenkinder zur Adoption nach Deutschland vermittelt. „Die Motivation der deutschen Eltern damals war geprägt vom Vietnamkrieg.

Sie wollten ein Zeichen setzen und Solidarität mit den Opfern zeigen“, erzählt Monika M. Die Soziologin und Ärztin ist die Mutter von Sarah und hat selbst von 1977 bis 1998 für terre des hommes gearbeitet: „Damals waren Eltern und Experten überzeugt, dass man mit liebevoller Zuwendung und Erziehung die vielen Verluste der Kinder wettmachen könne.“

Beziehungen schwierig

Die psychischen Probleme vieler heranwachsender Adoptivkinder haben sie eines Besseren belehrt. Sarahs ebenfalls aus Indien stammende Adoptiv-Schwester hat noch immer größte Schwierigkeiten, dauerhafte Beziehungen zu Menschen aufzubauen. Posttraumatische Störungen bleiben oft ein Leben lang, weiß Monika M.: „Ich kann nur alle Eltern davor warnen zu glauben, sie bekämen ein süßes Kind mit großen braunen Augen und seien dann eine glückliche Familie.“

Mathias Kopetzki ist ein attraktiver und selbstbewusster junger Mann, der als Schauspieler unter anderem im Oldenburgischen Staatstheater viele Menschen begeistert hat. Aber er hat auch schwere Zeiten durchgemacht.

„Hude war in den 70er/80er Jahren nicht gerade übervölkert von Ausländern. Das allein brachte ein Gefühl des Fremdseins mit sich, wenn man so aussieht wie ich. Für mich war schon früh klar, dass da irgendwo ein schwarzes Loch in mir klaffte, das danach schrie, ausgefüllt zu werden“, erinnert sich der 39-Jährige an seine Kindheit.

Sein leiblicher Vater stammt aus dem Iran. Er war als Gastarbeiter in Deutschland und kehrte nach zwei Jahren in den Iran zurück. Über seine Mutter weiß Kopetzki nicht viel, nur dass sie früh verstarb. Als der Schauspieler 21 Jahre alt war, nahm sein Vater zum ersten Mal Kontakt zu ihm auf. „Damals war ich viel zu verstockt und hatte keine Lust, mich mit Herkunftsfragen auseinander zu setzen“, sagt Kopetzki. Als der Vater später einen langen Brief über sein Leben schickte und darin erzählte, wie er selbst als Waise in den Slums von Teheran aufwuchs, änderte der junge Mann seine Meinung. „Ich konnte ihn plötzlich verstehen. Daraufhin beschloss ich mit Mitte Dreißig, ihn und die Familie im Iran endlich einmal kennen zu lernen“, sagt er. Diese Entscheidung sei eine der besten seines Lebens gewesen.

Seit seiner ersten Reise im Jahr 2007 ist er nun ein regelmäßiger Gast bei seiner Familie im Iran. „Ein besonderer Augenblick ist für mich immer, wenn mein persischer Vater mit meinen deutschen Adoptiveltern am Kaffeetisch sitzt, und sie fernab persönlicher oder kultureller Ressentiments eine Ebene zueinander finden“.

Für viele ungewollt kinderlose Eltern in Deutschland ist die Auslandsadoption heute die einzige Chance auf ein „eigenes“ Kind. Die Verhältnisse in den Entwicklungsländern haben sich aber verbessert, sagt Sprecher Michael Heuer. Heute können Waisenkinder oft auch vor Ort vermittelt werden. Terre des hommes hat sich deshalb schon 1994 aus der Vermittlung von Auslandadoptionen zurückgezogen.

Die Verantwortlichen sahen die Gefahr, dass das Kindeswohl gegenüber dem Elternwillen in den Hintergrund gerät. Sie fürchteten, Kinder würden „adoptionsfähig“ gemacht, weil die Nachfrage groß war und leibliche Eltern für ihre Kinder auf ein besseres Leben hofften. Einige Mitglieder wollten die Auslandsadoption als Einzelfallhilfe aufrechterhalten und gründeten „Eltern für Kinder“.

Das Verbindende suchen

Mathias Kopetzki hält es für problematisch, Kinder aus ihrem kulturellen Umfeld herauszureißen. „Ich denke allerdings, wenn man die Kinder früh mit ihrer Situation konfrontiert und mit ihnen Reisen ins Herkunftsland macht und ihnen niemals das Gefühl gibt, etwas ,Fremdes’ zu sein, sondern eher das Vereinende sucht, dann hat das Kind die Chance, mit den Identitätsfragen gesund umzugehen“, sagt er. In seinem Buch „Teheran im Bauch – Wie meines Vaters Land mich fand“ hat er seine Erlebnisse zu Papier gebracht.

Auch Sarah findet, dass eine Vermittlung im eigenen Land immer Vorrang haben sollte. Sie denkt oft an ihre Mutter in Indien: „Ich frage mich, ob sie wohl noch an mich denkt.“ Sie weiß nur, dass sie sie als Säugling in einem Heim abgegeben hat. Oft schwankt sie zwischen Trauer und Wut.

Auch an ihren Vater denkt sie. Sie glaubt ganz fest, dass beide sich geliebt haben, dass die Umstände sie zwangen, ihr uneheliches Kind wegzugeben. Irgendwann will sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln machen: „Aber erst, wenn ich eine eigene Familie habe, wenn ich selbst weiß, wie es ist, Mutter zu sein.“

Wie kann man ein Kind aus Indien adoptieren?

Wenn Sie verheiratet sind, muss mindestens einer der beiden Eheleute 25 Jahre alt sein, wobei der jüngere Ehepartner mindestens 21 Jahre alt sein muss. Ein Höchstalter für Adoptiveltern ist gesetzlich nicht festgelegt.

In welchem Land werden die meisten Kinder adoptiert?

Nach dem neuem Bevölkerungsbericht der Vereinten Nationen steigt die Zahl der Adoptionen kontinuierlich an. Jährlich werden für 260.000 Kinder neue Eltern eingetragen. Allein 127.000 dieser - und damit die hälfte aller - Adoptionen zählten die Statistiker in den USA. China folgt mit 48.844 und Russland mit 23.108.

Was kostet ein Kind in Indien?

Lebenshaltungskosten.

Wie viel kostet eine Adoption in Deutschland?

Wie viel kostet eine Adoption? Eine Adoption im Inland kostet zwischen 100 und 200 Euro, wenn das Kind in Deutschland geboren wurde. Auslandsadoptionen fallen dagegen deutlich teurer aus. Hier sollte man mit Gesamtkosten zwischen 10.000 und 15.000 Euro rechnen.