Wie viele DNA hat ein Mensch?

Die Zahl der menschlichen Gene schrumpft unaufhörlich. Vor der Veröffentlichung der Genom-Sequenz schätzten Forscher die Zahl unserer Erbanlagen auf 100000.

Von Hartmut Wewetzer

21.10.2004, 00:00 Uhr

Die Zahl der menschlichen Gene schrumpft unaufhörlich. Vor der Veröffentlichung der Genom-Sequenz schätzten Forscher die Zahl unserer Erbanlagen auf 100000. Als die Sequenz dann 2001 publiziert wurde, waren es nur noch 30000 bis 40000 Gene. Und eine neue, noch wesentlich genauere Erbgut-Analyse kommt nun zu dem Schluss, dass der Mensch mit 20000 bis allenfalls 25000 Genen auskommen muss. Ein Gen enthält jeweils die Bauanleitung für ein Eiweißmolekül (Protein).

Die neue Landkarte des menschlichen Genoms ist die Frucht jahrelanger Arbeit des Internationalen Humangenom-Sequenz-Konsortiums, an dem sechs Länder beteiligt sind. Wie die Forscher im Fachblatt „Nature“ berichten, enthält die frei zugängliche Sequenz nun 99 Prozent der „genhaltigen“ Abschnitte der Erbinformation DNS. Das entspricht 2,85 Milliarden biochemischen Buchstaben (Basenpaare, Nukleotide). Es bestehen nur noch 341 Lücken mit zusammen rund 38 Millionen Buchstaben, die Fehlerwahrscheinlichkeit liegt bei lediglich einem Irrtum auf 100000 Buchstaben.

Bei den Lücken handelt es sich zum großen Teil um Abschnitte, in denen Erbgut verdoppelt wurde. Sie sind mit den heutigen Methoden nur sehr schwer zu entziffern. Lediglich 1,2 Prozent der genhaltigen DNS-Abschnitte enthalten tatsächlich Bauanleitungen für Proteine. Fast 99 Prozent unseres Erbguts haben also keine offensichtliche Funktion.

Die neue Erbgut-Karte ermöglicht das genaue Studium von Genen, etwa ihrem Werden und Vergehen. So konnten die Wissenschaftler 1183 menschliche Erbanlagen ausmachen, die vor nicht allzu langer Zeit durch Gen-Verdopplung „geboren“ wurden. Zugleich gibt es Hinweise auf etwa 20000 „tote“ Erbanlagen, auch Pseudogene genannt. Das sind zum Beispiel Gene, die irgendwann im Lauf der Evolution durch Änderungen der Sequenz „verstummt“ sind und nicht mehr abgelesen werden.

Während der genhaltige Abschnitt der Erbsubstanz, wissenschaftlich Euchromatin genannt, etwa 2,88 Milliarden Buchstaben umfasst, enthält das gesamte menschliche Erbgut 3,08 Milliarden Basenpaare. Die Differenz erklärt sich durch Erbgut-Abschnitte, die genetisch nicht aktiv sind. Diese als Heterochromatin bezeichneten Abschnitte liegen etwa in den zentralen Regionen der Erbträger (Chromosomen) und auf den Chromosomen 1, 9, 16 und dem Y-Chromosom. Sie wurden vom Humanen Genom-Projekt ausdrücklich ausgenommen und nicht entziffert.

Wie kann man einen Menschen aus „nur“ 20000 Erbanlagen zusammenbauen? Hans Lehrach vom Deutschen Humangenom-Projekt nennt mehrere Faktoren: Zum einen können aus einem Gen mehrere verschiedene Eiweiße montiert werden. „Zudem ist jedes Protein eine komplizierte Maschinerie“, sagt Lehrach, der Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin ist. „Es kann Aufgaben an verschiedenen Stellen in der Zelle und im Organismus übernehmen.“ Und schließlich werden Teile der Erbinformation DNS in die chemisch verwandte RNS umgesetzt. Die Rolle eben dieser RNS bei vielen Lebensprozessen wurde bisher offenbar unterschätzt.

Der Bauplan jedes Menschen ist in seinen Genen verborgen. Gene bestimmen mit über unsere Haar- und Augenfarbe und sie entscheiden mit darüber, ob wir ein grosses Risiko haben, an Krankheiten wie Krebs zu erkranken oder nicht.

Kennen Sie Ihre Gene? Wissen Sie, wo sie stecken und wie sie wirken? Wissen Sie, welche Informationen sie enthalten? Wussten Sie, dass Ihre Gene und die einer Erdbeere oder eines Wurms in der gleichen Sprache geschrieben sind?

Vor gut zwei Jahrzehnten wurde erstmals das gesamte menschliche Genom entschlüsselt – doch es fehlten wichtige Details. Fachleute wollen die Lücke nun fast vollständig geschlossen haben.

Von Julia Merlot

02.06.2021, 23.31 Uhr

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Wie viele DNA hat ein Mensch?

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DNA-Doppelhelix: Im Genom ist der Bauplan unseres Körpers gespeichert

Foto: iStockphoto / Getty Images

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Vor etwa 20 Jahren haben zwei rivalisierende Forschergruppen in einem spektakulären Wettlauf 92 Prozent des menschlichen Genoms entschlüsselt. Die Projekte gelten als Meilensteine der biomedizinischen Forschung.

Erstmals ließ sich nachvollziehen, welche genetischen Bausteine welche Funktionen unseres Körpers steuern – und somit noch genauer erforschen, was etwa bei Krankheiten schiefläuft. Doch es fehlten acht Prozent der Erbgut-Sequenz. Ein internationales Team will diese Lücke nun mithilfe neuer Technik weitgehend geschlossen haben.

Demnach hat es die Zahl der erfassten DNA-Basen mit seinen Analysen von 2,92 Milliarden auf 3,05 Milliarden erhöht, was einem Anstieg von 4,5 Prozent entspricht. Die Zahl der erfassten Gene, also der Baupläne, auf deren Basis Zellen Proteine herstellen, stieg dabei zwar nur um 0,4 Prozent auf 19.969. Dennoch könnten die neu identifizierten Bereiche verraten, wie Zellen einzelne Gene aktivieren oder abschalten.

Offizielle Bestätigung fehlt

Die Arbeit hat allerdings ein paar Schwächen. So stammte die verwendete Zelllinie nicht aus einem vollständig entwickelten Menschen. Die Daten wurden bislang zudem lediglich auf einem Preprint-Server hochgeladen, eine Begutachtung durch unabhängige Forscher fehlt.

»Man versucht, zu dieser letzten Unbekannten im menschlichen Genom vorzudringen«, sagte Karen Miga, Forscherin an der University of California in Santa Cruz, die Teil der Leitung des Projekts war, der Medizin-Nachrichtenseite »Statnews« . Die nun untersuchten Bereiche seien noch nie zuvor analysiert worden, weil dies kompliziert sei.

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Möglich war die neue Untersuchung, weil neue Sequenziertechnologien das Erbgut nicht mehr in kleine Stücke zerlegen und wieder zusammensetzen. Diese Technik funktioniert zwar für weite Teile des Erbguts, allerdings nicht in Bereichen, in denen sich gleiche Muster mehrmals wiederholen. Die Reihenfolge der Basen lässt sich dann nicht mehr rekonstruieren.

Entscheidender Bereich für die Zellteilung

Die noch nicht entschlüsselten acht Prozent des menschlichen Genoms bestehen genau aus solchen schwer zu analysierenden, sich wiederholenden Sequenzen. Sie sitzen an den Knoten, die die Chromosomen zusammenhalten – sogenannten Zentromeren. Bei der Zellteilung, etwa bei der Entwicklung eines Embryos, spielen die Strukturen eine entscheidende Rolle.

Um die fehlenden Bereiche zu analysieren, kombinierte das internationale Team zwei alternative Techniken. Bei der einen wird ein DNA-Molekül durch ein winziges Loch gezogen und dabei in weiten Teilen am Stück sequenziert. Die andere nutzt Laser, um DNA-Sequenzen mehrfach zu untersuchen. Beide Methoden sind teurer als die bislang etablierte Technik und noch nicht genauso zuverlässig, lieferten in Kombination aber ein brauchbares Ergebnis.

George Church, renommierter Molekularbiologe und Genomforscher von der Harvard University, erklärte laut »Statnews«, er weise in seinen Vorträgen bislang noch darauf hin, dass bis heute niemand das gesamte Genom eines Wirbeltiers sequenziert habe. Wenn sich die Ergebnisse der neuen Arbeit bestätigten, sei diese Anmerkung hinfällig.

DNA-Sequenz stammte nicht aus einem Menschen

Untersucht hat das Team um Miga in seiner Analyse aber nur 23 von 46 Chromosomen, die eine menschliche Zelle üblicherweise enthält. Die analysierte Zelllinie stammte aus einer sogenannten Blasemole, die entsteht, wenn eine Eizelle ohne Zellkern von einem Spermium befruchtet wird. Die Zelle enthält dann nur das Erbgut vom Vater, die andere Hälfte fehlt. Auf diese Weise konnte das Forscherteam die für die Analyse benötigte Rechenleistung reduzieren.

Auch die ersten Sequenzierungen des menschlichen Genoms enthielten lediglich 23 Chromosomen. Damals hatten das Human Genome Project (HGP) und die Firma Celera Genomics des ambitionierten Genpioniers Craig Venter das menschliche Erbgut erstmals fast vollständig analysiert.

Im Februar 2001 publizierten sie die Details ihrer Arbeiten erstmals in einem Fachmagazin. Demnach hatten sie 83 Prozent des Genoms entschlüsselt, weitere Analysen brachten den Wert auf 92 Prozent.

Mit fortschreitender Technik tendieren Fachleute inzwischen jedoch dazu, alle 46 Chromosomen zu untersuchen. Das Team um Studienleiterin Miga will das in einem nächsten Schritt versuchen.

Wie viel DNA hat der Mensch?

Die DNA in einer menschlichen also eukaryotischen Zelle hat eine Länge von etwa 2 m. Ein Mensch besteht aus etwa 100 Billionen Zellen, davon sind 25% Blutzellen, die keinen Zellkern haben. Die Länge der DNA in einem Menschen beträgt also 150 Mrd. km, also 1000mal die Strecke von der Erde zur Sonne (149,6 Mill.

Wie viele DNA Fäden hat ein Mensch?

DNA steht für “deoxyribonucleic acid” (Desoxyribonukleinsäure). Würde man alle 46 DNA-Fäden, welche in einem Zellkern auf die Chromosomen verteilt sind, aneinanderreihen, dann wäre dieser Faden zwei Meter lang, aber nur winzige zwei Nanometer (1 nm = 1 Tausendstel Mikrometer) im Durchmesser (siehe Video 1.2).

Haben alle Menschen gleiche DNA?

Zu den bekanntesten Ergebnissen des Humangenomprojekts gehört, dass Menschen, gleich ob nahe verwandt oder von verschiedenen Regionen oder Erdteilen, etwa 99,9 Prozent ihres Erbguts gemeinsam haben – selbst zu den nächsten Verwandten des Menschen, den Schimpansen beträgt die Gemeinsamkeit wohl noch mehr als 98,5 ...

Hat jeder Mensch eine eigene DNA?

Normalerweise besitzt jeder Mensch zwei Kopien von jedem Gen in seinem Erbgut, eine von jedem Elternteil.