Sergio Leone ist wohl vornehmlich für seine Western bzw. Italo-Western oder auch Spaghetti-Western (wie sie abwertend bezeichnet werden) bekannt. Das ist nicht verwunderlich, besteht doch über die Hälfte seines wenn auch kleinen Oeuvres aus Filmen, die in diesem Genre beheimatet sind, darunter solch unbestrittene Klassiker ihrer Gattung wie "Für eine Hand voll Dollar", "The Good, the Bad and the Ugly" und natürlich auch
"Spiel mir das Lied vom Tod". Der Film ist eine Adaption, basierend auf dem Roman "The Hoods" von Harry Grey. Was diese Geschichte in Leones Augen so attraktiv für ihn machte, war die Art, wie ihre Szenen in so augenscheinlicher Weise von den frühen großen Gangster-Filmen inspiriert und gezeichnet waren. So braucht das fast vierstündige Gangster-Epos des italienischen Regisseurs den Vergleich mit anderen Größen seines Genrefachs wie zum Beispiel "Der Pate" oder "Goodfellas" nicht zu scheuen. Sein Status
als Meisterwerk der Filmgeschichte musste er sich allerdings wesentlich härter erarbeiten, als diese beiden ähnlich herausragenden Gattungskollegen. Eines Tages treffen sie dann unerwartet auf Bugsy, der in ihrem Viertel das eigentliche Sagen hat und es mit seiner Bande beherrscht. Konkurrenz - auch so junge - duldet er nicht. Die Jungen versuchen zu fliehen, doch Bugsy zieht seinen Revolver und schießt. Er trifft Dominic, den Jüngsten von ihnen, tödlich in den Rücken. Wutentbrannt und geschockt sticht Noodles Bugsy daraufhin nieder, bevor ihn die Polizei verhaftet. Nach zehn Jahren Zuchthaus wird Noodles (erwachsen nun gespielt von Robert de Niro) am Tag seiner Freilassung von Max (James Woods) abgeholt, der seinen treuen Freund schnurstracks ins schöne Leben ihrer Verbrecherorganisation einführt - die Prohibition und damit auch die organisierte Kriminalität befinden sich auf ihrem Höhepunkt. Mit ebenso dreisten wie brutalen Coups macht sich die Gang einen Namen und häuft massig Reichtümer an. Selbst dem Polizeichef wischt man eins aus, indem die Babys in der Entbindungsstation, in der seine Frau gerade ein Kind geboren hat, allesamt vertauscht werden. Doch die große Sause kann nicht ewig halten. Die Prohibition neigt sich ihrem Ende zu. Und Max plant einen letzten großen Coup, nämlich die Federal Reserve Bank auszurauben. Das Vorhaben grenzt an Größenwahnsinn und würde den Tod aller bedeuten. Das sieht auch Noodles.... Fernab jeglicher Erzähl-Konventionen besticht "Es war einmal..." durch seine verschachtelte Erzähltechnik, die zwischen den Zeitebenen von 1968 (als der gealterte Noodles an die Orte seines Gangsterlebens
zurückkehrt), 1922 und 1932/33 hin und herwechselt. Dieser Umstand allein fordert ein mindestens zweimaliges Sehen des Films, um ihn in seiner ganzen Komplexität mehr als nur oberflächlich zu erfassen. Der Film nimmt sich viel Zeit für seine Figuren. Vieles, was die Geschichte in ihrer Entwicklung nicht unbedingt weiterbringt, hätte sicherlich weg geschnitten werden und der Film damit kürzer ausfallen können. Doch es ist eben gerade diese Charaktertiefe, diese Komplexität und diese Erzählweise, die den Film und überhaupt Sergio Leones Gesamtwerk besonders machen. Leone hatte insgesamt gedrehtes Material für 10 Stunden, sein erster Rohschnitt war ganze 5 Stunden lang. Wie man es von Leone kennt, wird die Erzählung phasenweise immer wieder durch lange, sehr stille Szenen unterbrochen.
Insgesamt sind die Dialoge so karg, dass in 229 Minuten scheinbar weniger gesprochen wird als in einem gängigen 100-Minüter. Wieder einmal zeigt sich hier Leones große Filmkunst, denn er versteht das visuelle Medium in seiner eigentlichen Tradition als eine Erzählform in Bildern, nicht in Wörtern. Das siebenköpfige Autorenteam, das Leone für dieses Drehbuch um sich scharrte, vollbrachte mit "Es war einmal in Amerika" einer der vielleicht größten erzählerischen Leistungen der Kinogeschichte -
gerade dadurch, dass sie auf unadäquate Dialoge verzichteten und lieber kongeniale Szenen erdachten, die mehr aussprechen, als Worte jemals sagen könnten. Tragisch ist vor allem die Beziehung von Noodles zu seiner Jugendfreundin Deborah, die später zu einem gefeierten Hollywood-Star aufsteigt. Beide lieben sich eigentlich, doch Deborah bleibt distanziert: Sie weiß, dass sie mit dem Gangster Noodles keine Zukunft haben kann. Unglaublich rührend und schön anzusehen sind bereits die gemeinsamen Szenen des jungen Noodles und der jungen Deborah (letztere übrigens grandios gespielt von einer noch jungen Jennifer Connelly). Überhaupt ist die ganze Besetzung überzeugend in ihrem Spiel. Und besonders die jungen Pendants von Max, Noodles und Deborah sind ihren erwachsenen verblüffend ähnlich, wodurch der Film beträchtlich an Authentizität gewinnt. Auf jeden Fall erinnerungswürdig ist die Schlussszene, in der Noodles sich wieder im chinesischen Opium-Haus befindet und einen Zug von der Pfeife nimmt, sich dann zurücklehnt und die Kamera hoch über ihn fährt, während sein Gesichtsausdruck schließlich ein breites, kindliches Lächeln annimmt. Ein Lächeln, dass man wiederum auf verschiedene Arten interpretieren kann. Eine besondere filmhistorische Anekdote: Ein paar Jahre zuvor war Sergio Leone von den Paramount-Studios angeboten worden, die Regie von "Der Pate" zu übernehmen. Der Italiener lehnte jedoch ab, da er nicht mit seiner eigenen nativen Mythologie konfrontiert werden wollte, nämlich die der sizilianischen Mafia. So ist es bezeichnend, dass die Gangster in "Es war einmal..." spezifisch jüdischer Konfession sind. Das untrügliche Gefühl, gerade einen Sergio-Leone-Film gesehen zu haben, wird einem auch hier widerfahren, sind es doch seine stilistischen Kunstgriffe und die höchst eigenwillige Bildsprache und Erzählweise, die ihn in besonderer
Weise von den anderen Großmeistern seines Faches abheben. Seine schon oben beschriebene Montage, die unverwechselbare Musik Morricones, das Sound-Design (voll von Geräuschen, denen aufgrund ihrer Lautstärke eine hohe Relevanz in der Handlung zukommt, indem sie zur Spannungssteigerung eingesetzt werden), die Signifikanz einzelner Gegenstände für die Erzählung (hier: der Schließfach-Schlüssel oder auch Patsys Panflöte) und die Simplizität, in der die Gewalt gezeigt wird, wie sie ist, hässlich und
schmerzhaft - mit diesen bewährten Mitteln lieferte der Begründer des Italo-Westerns mit seinen zum Markenzeichen avancierten, extremen Nahaufnahmen auch mit seinem letzten Film ein opulentes Meisterwerk ab. |