Wie ging es den Menschen in den Goldenen Zwanziger?

Seine frühe Blütephase verdankt die Weimarer Republik der Währungsreform. Das neue Geld – zunächst die Renten-, später die Reichsmark – macht Deutschland wieder kreditwürdig. Kapital und Investitionen aus dem Ausland fließen wieder, die Wirtschaft erholt sich vom Einbruch des Jahres 1923.

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Auslandsanleihen 1924 – 1929

(in Millionen Reichsmark)

Quelle: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1932, S. 344

Gleichzeitig bleiben die Preise stabil, das Geld ist wieder etwas wert, und es lohnt sich wieder, Waren anzubieten. Der Konsum zieht an. Es folgen Jahre mit geringer Arbeitslosigkeit, hohen Steuereinnahmen und einem ausgeglichenen Staatshaushalt. Sorge bereiten der Politik allerdings nach wie vor die Reparationszahlungen.

Die Phase relativer Stabilität nutzt das Wirtschaftsministerium, um das Verhältnis von Staat und Wirtschaft zu ordnen und die Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu verbessern. Damit gelingt es, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft weiter zu steigern. Ein weiterer Fokus liegt auf der Erschließung neuer Exportmärkte, denn auch die dort erwirtschafteten Devisen werden dringend benötigt, um die Kriegsentschädigungen zu leisten.

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Fertigung von Messinstrumenten am Fließband in den Apparate-Fabriken der AEG in Berlin-Treptow.

© akg-images

Das Ministerium setzt nun auch eine Steuerreform durch, die Betriebe entlastet und im Gegenzug die Verbraucher durch höhere Steuern stärker belastet. Erstmals werden gezielt wirtschaftliche Eckdaten (wie Produktion, Konsum, Lohn- und Preisentwicklung und Produktionskapazitäten) erhoben, um ein besseres Bild von der wirtschaftlichen Lage zeichnen zu können. Außerdem läutet das Ministerium eine Wende in der Handelspolitik ein und versucht, die Liberalisierung des Außenhandels voranzutreiben.

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Arbeiter bei der Bandmontage von Fahrgestellen in den Hanomag-Werken in Hannover-Linden.

© akg-images

Für viele Waren hebt das Ministerium bestehende Ein- und Ausfuhrverbote auf. Darüber hinaus bereitet es Handelsverträge für die Zeit nach der Wiedererlangung der handelspolitischen Autonomie am 10.01.1925 vor – bis dahin muss Deutschland allen Partnern des Versailler Vertrags einseitige Handelsvorteile gewähren. Das Reichswirtschaftsministerium erarbeitet außerdem eine Zolltarifreform, die gemäßigtere Schutzzölle vorsieht. Schließlich vergibt das Ministerium erstmals staatliche Exportkredite, um den Außenhandel in Schwung zu bringen.

1925192719261928192903.0006.0009.00012.00015.000AusfuhrEinfuhr

Entwicklung des Außenhandels 1925 – 1929

(in Millionen Reichsmark)

Quelle: Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Wirtschaft 1872 – 1972, S. 191

Die Maßnahmen fruchten: Zehn Jahre nach Kriegsende hat sich die Wirtschaft von den Folgen des Krieges erholt. Die Löhne und die Produktion erreichen wieder das Niveau der Vorkriegszeit. Vor allem in den Großstädten pulsiert nun das Leben und Berlin entwickelt sich zu einem der bedeutendsten Kulturzentren.

Sofie Scheibe: Chanel und Charleston
Sofie Scheibe wurde 1915 in Köln als Tochter eines Kaufmanns geboren. Sie beschreibt ihre Kindheit und Jugend während der Weimarer Republik.

© Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland/Zeitzeugenportal, www.zeitzeugen-portal.de

Die Menschen besuchen Kinos und Konzerthäuser oder amüsieren sich auf Sport- und Tanzveranstaltungen. Gegen Ende des Jahrzehnts glänzen die 20er Jahre zumindest für weite Teile der Bevölkerung wirklich golden.

"Golden" waren die 1920er-Jahre sicherlich nur für die wenigsten Menschen. Doch von der brüchigen Epoche der Weimarer Demokratie gingen entscheidende kulturelle Impulse aus.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

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Der Mythos der "Golden Twenties" zeigt in vielen Facetten das andere, das hoffnungsvolle Gesicht der Weimarer Republik. Die Menschen versuchen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs einen Neuanfang in Politik, Gesellschaft, Kultur und Freizeit.

Charleston und Jazz, Revue und Freikörperkultur bedeuten die Abkehr vom rigiden preußischen Staatswesen, das autoritär bis in die Privatsphäre jedes Einzelnen hineinreglementierte.

Unter den Künstlern und Intellektuellen formieren sich Vordenker, die sogenannte Avantgarde. Sensible und kreative Talente suchen neue Ausdrucksformen und finden neue Ausdrucksmöglichkeiten.

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Dichter dran: Irmgard Keun

Planet Schule . 03.03.2020. 10:39 Min.. UT. Verfügbar bis 12.06.2024. WDR.

Sie werden zu kulturellen Seismographen, sie wenden sich ab von der verlogenen selbstherrlichen Rhetorik des Kaiserreichs und der Instrumentalisierung und Verheizung der Deutschen im Ersten Weltkrieg.

Die intellektuellen Eliten suchen gänzlich neue Wege. Man vertraut nicht länger den althergebrachten Traditionen. Geschmack und Gewohnheiten werden infrage gestellt und neu überdacht. Die Sprache verändert sich, die Gestaltung, die Idee. Formen und Farben.

Ausdruck und Ästhetik werden wieder puristisch und lösen sich von der Überladenheit der Kaiserzeit. Die sogenannte "Neue Sachlichkeit" wird Trend und bestimmt Kunst, Kultur und Musik.

Experimentelle Dichter formieren den Kreis der Dadaisten, sie kultivieren eine exzentrische Sprache, die zurück zu den einfachsten Lauten führt.

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Erster Dada-Abend in Zürich (am 14.07.1916)

WDR ZeitZeichen. 14.07.2016. 14:34 Min.. Verfügbar bis 12.07.2096. WDR 5.


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Die Malerei findet zu den ursprünglichen, sich auflösenden Formen des Expressionismus und Kubismus.

In Weimar gründet Walter Gropius das "Staatliche Bauhaus" und läutet mit einer revolutionären Formensprache die bedeutende Epoche der Moderne in Architektur und Design ein.

Der Tanz wird revolutioniert – das klassische Ballett ergänzt durch den modernen Ausdruckstanz einer Mary Wigman.

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Mary Wigman, Tänzerin (Geburtstag 13.11.1886)

WDR ZeitZeichen. 13.11.2011. 14:29 Min.. Verfügbar bis 10.11.2051. WDR 5.


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Das Kino kommt auf, der Stummfilm wird populär und der Tonfilm erfunden.

Das Aufbruchsgefühl der Goldenen Zwanziger ist auf Vergnügen und Ablenkung aus, setzt aber auch neue Maßstäbe in Kunst und Kultur und ist aufgrund seiner substanziellen Gesellschaftskritik häufig politisch aufgeladen.

Wie war das Leben in den Goldenen Zwanziger?

Hungersnot, Arbeitslosigkeit, Bettelei als einzige Existenzsicherung für verkrüppelte Heimkehrer aus dem ersten industrialisierten Krieg ohne heutige medizinische Möglichkeiten (Prothetik, Antibiotika, Schmerzmittel), mit 14 Prozent die höchste Säuglingssterblichkeit in Europa, Rachitis-Epidemien durch Vitaminmangel ...

Wie lebte man in den 20er Jahren?

Sie hatten feste Arbeitszeiten, konnten es sich leisten, das Haus zu gesellschaftlichen Anlässen zu verlassen; Mithilfe im Haushalt war verpönt. Frauen waren zur Besorgung des Haushaltes an die Wohnung gebunden. Oftmals mussten Frauen noch Nebentätigkeiten annehmen, einen Feierabend gab es kaum.

Was passierte in den Goldenen Zwanziger?

Die „Goldenen Zwanziger“ waren eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit in der Weimarer Republik. Sie begannen 1924 mit der Einführung der Rentenmark und endeten 1929 durch die Weltwirtschaftskrise.

Was waren besondere Merkmale der Goldenen Zwanziger?

Die neue Währung nach der Währungsreform von 1923 und Kredite aus den USA bewirkten einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Arbeitslosigkeit ging zurück. Außerdem gab es vor allem in den Städten einen kulturellen Aufschwung mit hohen kulturellen Leistungen in den Bereichen Literatur, Malerei, Musik und Film.