Wie die Lilien auf dem Felde Bibel?

Alan Posener zeichnet die Geschichte der Arbeitsmoral im Abendland nach. Aus Almosenempfängern sind Kunden der Jobcenter geworden. Ein materieller Fortschritt, der zugleich moralisch fragwürdig ist

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Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Dieser Satz aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher hat im Abendland Karriere gemacht – vornehmlich bei Leuten, die mit dem Christentum wenig im Sinn hatten. August Bebel nannte ihn einen Grundsatz des Sozialismus. Adolf Hitler reklamierte ihn für den Nationalsozialismus. Und unter Josef Stalin gelangte er 1936 gar in die Verfassung der Sowjetunion. Er hat die Evidenz des Naturrechts auf seiner Seite. Tiere, die sich nicht selbst um ihre Nahrung bemühen, gehen ein, es sei denn, es sind Löwenmännchen und ähnliche Paschas. Und der Satz hat nicht nur den Vorteil biblischer Beglaubigung; er richtet sich auch gegen Feinde, die Linke und Rechte in ihrem Zorn einigen: Aristokraten und Superreiche einerseits, andererseits Sozialschmarotzer wie Susanne Müller, über die wir in unserer letzten Ausgabe berichteten. Und doch ist dieser Satz falsch, unchristlich und unmenschlich.

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Wenn wir mit Paulus schon bei der Bibel sind, sollte man Jesus von Nazareth zitieren, der laut Matthäus seinen Jüngern predigte: „Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr denn Speise? Und der Leib mehr denn die Kleidung? Sehet die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. (…) Und warum sorget ihr für die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist wie derselben eins. (…) Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? Nach solchem allem trachten die Heiden.“

„Heidnisch“ also ist es laut Jesus, sich um materielle Dinge zu kümmern. Seine ersten Jünger waren hart arbeitende Familienväter, Fischer am See Genezareth, die ihre Arbeit und ihre Familie aufgaben, um dem Menschenfischer zu folgen. Doch auch wenn Jesus in der jüdischen Gesellschaft seiner Zeit eine Ausnahmeerscheinung war, so hat es damals und zu allen Zeiten und in fast allen Gesellschaften Menschen gegeben, die – ohne Reichtümer zu besitzen oder in privilegierte Verhältnisse hineingeboren zu sein – sich der Erwerbsarbeit entzogen und sich anderen Werten widmeten: zum Beispiel der Vita contemplativa, dem beschaulichen Leben. Von Indien über die frühchristliche und islamische Welt bis ins mittelalterliche Europa galten Einsiedler und Bettelmönche als seltsame Heilige; Juden, Christen und Muslime kennen die heilige Pflicht des Almosengebens, und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung.

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Es mag blasphemisch klingen, wenn man in Zusammenhang mit einer Frau, die Hartz-IV-Leistungen – sagen wir es ruhig – erschwindelt, von Mönchen und Heiligen spricht. Gewiss, „Susanne Müller“ ist keine Heilige – oder allenfalls eine komische Heilige. Doch wurde schon der Rabbi aus Nazareth von den Pharisäern als „Fresser und Weinsäufer“ kritisiert. Und das Mönchstum hatte in der Spätantike solche Ausmaße erreicht, dass manche Historiker darin einen Grund für den Untergang Roms erblicken. Auch zu Martin Luthers Zeiten erregte die Schar bettelnder Mönche und eifriger Ablassverkäufer den Zorn des hart arbeitenden Bürgertums, das den Luxus der Päpste und Kardinäle ebenso verachtete wie die angebliche Faulheit der Mönche und Nonnen.

Im Kampf gegen die katholische Kirche entwickelte sich jene protestantische Arbeitsethik und „innerweltliche Askese“, die es – so jedenfalls der Soziologe Max Weber – den protestantischen Ländern Nordeuropas und Nordamerikas ermöglichte, zu Pionieren des Kapitalismus zu werden, der dann die Welt eroberte. Und zwar nicht nur materiell, sondern auch ideologisch: Auch der Kapitalismusgegner Karl Marx meinte, erst die Arbeit unterscheide den Menschen vom Affen, und im Kommunismus werde „die Arbeit zum ersten Lebensbedürfnis“ werden. Bis heute schwingt, wenn in der Euro-Krise von den mediterranen Ländern und ihren Problemen die Rede ist, im Norden Europas etwas von jener protestantischer Strenge mit, in die sich ja auch etwas Neid mischt darüber, dass man selbst vor lauter Arbeit verlernt hat, den Augenblick zu genießen, von dem wir alle wissen, dass er das eigentliche Leben ist.

Aber wenn sich alle so verhielten? Keine Sorge. Die meisten wollen nicht so leben wie Susanne Müller. Sie wollen ein bisschen Wohlstand jetzt und eine gewisse Sicherheit im Alter. Sie arbeiten, konsumieren, sparen freiwillig. Vielen macht ihre Arbeit Spaß, ist sie sogar ein „Lebensbedürfnis“. Anders als die Sklaverei, der Feudalismus oder der Sozialismus braucht die kapitalistische Konsumgesellschaft keinen Zwang, um die Leute zum Arbeiten zu bringen. Auch deshalb ist er diesen Gesellschaftsformen überlegen. Die allermeisten Arbeitslosen sind unfreiwillig „außer Lohn und Brot“, wie man früher sagte; dass sie heute Brot – und ein bisschen mehr – bekommen, ist ein großer zivilisatorischer Fortschritt. Auch, dass sie das nicht als Almosen empfinden müssen, sondern als ihr Recht reklamieren können.

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Hier allerdings liegt die moralische Krux derjenigen, die Sozialhilfe erschleichen, und derjenigen, die – als Staatsbürger – ein Heer von Beamten beschäftigen, die dem Missbrauch nachspüren. Fast eine Viertelmillion Straf- und Bußgeldverfahren wurden letztes Jahr gegen Leistungsempfänger eingeleitet, die man des Betrugs verdächtigt. Die Bettelei ist dagegen wenigstens ein ehrlicher Beruf, möchte man sagen. Wer dem Bettler etwas gibt, fragt nicht, was damit geschieht, zumal er weiß: Geben ist seliger denn nehmen. Wir haben das Geben jedoch – sieht man von rumänischen Bettlerinnen, Verkäufern von Obdachlosenzeitungen und Musikern in den S-Bahnen ab – verstaatlicht, verbürokratisiert, entpersönlicht. Und unfreiwillig den Grundsatz eingeführt: Wer nicht wenigstens so tut, als ob er arbeiten will, soll weniger essen, als wer erfolgreich Arbeitswillen oder Arbeitsunfähigkeit vortäuscht.

Die Frage ist nicht, ob eine Viertelmillion oder – weil die Dunkelziffer sicher höher liegt – eine Million Fälle erschlichener Sozialleistungen den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährden. Das tun sie nicht, und die Verluste durch Steuerhinterziehung oder fehlgeleitete Subventionen sind um ein Vielfaches höher. Zu den Subventionen gehört übrigens jeder dritte Hartz-IV-Euro, mit dem Niedriglohnempfängern geholfen wird, über die Runden zu kommen, was faktisch eine Ermunterung bedeutet, unzureichende Löhne zu zahlen.

Die moralische Frage aber bleibt. Nicht, dass Susanne Müller nicht arbeitet, ist verstörend, sondern dass sie lügt; dass sie das in Ordnung findet, ist verstörender. Das erniedrigt sie und mich, der ich für sie mit bezahle. Deshalb die Frage: Wo ist in einer säkularisierten Welt der Arbeit, die keine Bettelorden kennt und die das Almosengeben an die Sozialämter delegiert hat, Platz für die Lilien auf dem Felde?

Wie die Lilien auf dem Feld?

Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.

Wie die Blumen auf dem Felde?

Schaut die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29Ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist wie derselben eins.…

Was können Sie von den Lilien auf dem Felde lernen Mt 6 28?

Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung? Lernt von den Lilien des Feldes, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht.

Was bedeutet die Lilie in der Bibel?

Lilie Bedeutung - Bibel Im Christentum häufig mit der Madonnenlilie bezeichnet, stehen Lilien für Reinheit und Unschuld mit Bezug auf die Weiblichkeit. Sie ist sozusagen ein Zeichen der Jungfräulichkeit und wird als Symbol häufig mit der Jungfrau Maria in Verbindung gebracht.