Was passiert mit meinen russischen ADR?

Seit dem westlichen Sanktionen gegen Russland sind russische Aktien nicht mehr handelbar. Da in Deutschland die Aktien Russlands nicht physisch gehalten werden können, waren sie in eine ADR-Strucktur gepackt worden. Dies bedeutet, dass eine Verwahrstelle die Aktien kauft und dann ADRs (American Depository Receipts) ausgibt, womit die Investoren 1 zu 1 von der Wertentwicklung der zugrunde liegenden Aktien profitieren. Diese Praktik wird häufig angewandt, wenn …

  • Börsen für Privatanleger nicht/schwer zugänglich sind
  • Aktien nur im Land des Unternehmens gehalten werden dürfen
  • Aktien aus regulatorischen Gründen nicht an der Heimatbörse der Investoren gehandelt werden

Jetzt ist allerdings durch die Struktur ein noch viel größeres Problem aufgetreten. Die Lagerstelle der Gazprom Aktien war aufgrund der russischen Sanktionen dazu genötigt, den ADR-Vertrag aufzukündigen. Grund dafür war der Erlass, dass russische Aktien nunmehr nur noch in russischen Depots bei inländischen Banken gehalten werden durften. Deswegen stand es Anlegern bis zum 3. August offen, ihre ADR’s in die unterliegenden Aktien umzutauschen. Allerdings verstieß das gegen die Sanktionsbestimmungen und faktisch gibt es bisher keinen Fall von Anlegern, deren Umtausch geglückt ist. Aber wie geht es jetzt weiter?

Immerhin ist Gazprom nicht vom Licht der Welt verschwunden, sondern hat kürzlich trotz der Sanktionen Rekordgewinne vermeldet und wird von den eingefahrenen 41,5 Milliarden Euro einen Großteil an Aktionäre als Zwischendividende ausschütten. Dies wird vermutlich an den Besitzern der ADRs sang- und klanglos vorbeigehen.

Welche Möglichkeiten habe ich als Anleger?

Für Anleger, die dem Versuch eines Übertrags bis zum 03. August 00:00 Uhr nicht zugestimmt haben, gibt es aktuell nur zwei wesentliche Möglichkeiten, um das Investment nicht vollkommen abschreiben zu müssen:

Werbung ausblenden

1. Kaufangebote

Aktuell bieten immer wieder institutionelle Schnäppchenjäger Investoren an, ihre ADR’s für 2 bis 10 Cent das Stück zu verkaufen. Wie die Käufer daraus Profit schlagen wollen, bleibt allerdings im Dunkeln. Wenn man außerdem davon ausgeht, dass eine Gazprom Aktie bei 6 bis 10 € im letzten Jahr notierte, bedeutet auch das beinahe den Totalverlust für Investoren. Zudem ist bei solchen Angeboten nicht zu 100 Prozent geregelt, ob die Verluste auch steuerlich geltend gemacht werden könne.

2. Auslaufen lassen

Interessanter ist da schon die zweite Option, nämlich einfach gar nichts tun. Nach Ablauf eines Jahres, also am 03.08.2023 werden die dem ADR hinterlegen Aktien am Markt verkauft – zu welchem Preis auch immer. Hier haben Investoren immerhin noch die Chance nach einem möglichen Ende des Russland-Ukraine Krieges wesentlich bessere Preise für ihre ADR’s herauszuschlagen und die Verluste auch steuerlich geltend zu machen. Allerdings gibt es keine Garantie dafür, dass in einem Jahr überhaupt jemand den Verwahrentstellen ihre russischen Aktien abnimmt.

Finger weg von ADRs

Das Beispiel Gazprom zeigt sehr deutlich, welche Risiken sich durch ein Investment in ADRs materialisieren können. Zudem haben viele Anleger mit Aktien aus China ein ähnliches Problem im Depot. Auch hier kann man nicht die physischen Aktien, sondern die ausgegebenen Hüllen einer Verwahrentstelle auf den Cayman Islands kaufen. Sollte es jetzt oder in der Zukunft also zum Beispiel zu einem Konflikt zwischen dem Reich der Mitte und Taiwan kommen, besteht auch hier ein nicht unwesentliches Risiko. Die Anteilsscheine von einer Alibaba oder Tencent könnten letztlich denselben Weg, wie jene von Gazprom gehen.

Lange war es ruhig um ADRs (=american depositary receipts) und GDRs (=global depository receipts), doch im Zuge des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Handelsaussetzung russischer Aktien an der Börse Moskaus sowie den in Kraft getretenen Finanz-Embargo rücken ADRs auf russische Aktien in den Fokus. Doch der Reihe nach…

Ein weltweiter Handel von Aktien wäre wünschenswert, ist aber bei weitem nicht die Regel. Viele Börsen sind noch lokal abgeschirmt und nicht für ausländische Investoren offen. Vor 100 Jahren, bereits in den 1920er-Jahren, wurden verschiedenen Arten von so genannten depositary receipts erfunden. Damit Aktien an einer Börse gelistet werden dürfen, müssen die jeweiligen regulatorische Voraussetzungen erfüllt sein. So müssen bspw. Aktien, die in den USA notiert werden, u.a. die Bilanz nach den Regeln von US-GAAP aufstellen. Das ist vielen Unternehmen zu teuer und zu aufwändig. Damit Aktien an einer euroopäischen Börse gelistet werden können, muss die Gesellschaft über eine LEI-Nummer (=legal identity identifier) verfügen. Dies ist zwar nicht teuer, aber wird nicht von allen ausländischen Gesellschaften beantragt. Prominentes Beispiel ist z.B. der bekannte Grillhersteller Weber Inc. Hierzu haben wir hier im Blog etwas zu geschrieben. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass Investoren, wie staatliche Pensionsfonds, Lebensversicherungsgesellschaften oder Kreditinstitute aufgrund gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorschriften nicht unbeschränkt in ausländische Wertpapiere investieren dürfen. Um diese Schwierigkeiten zu lösen, wurden ADRs oder GDRs erfunden.

Verschiedenen Arten von ADRs

Bei ADRs erwerben amerikanische Banken die Aktien an den Heimatbörsen, also zum Beispiel in China, Russland oder auch Deutschland, hinterlegen diese in der jeweiligen lokalen Lagerstelle und geben im Gegenzug dafür auf US-Dollar lautende ADRs aus. Dabei kann das Bezugsverhältnis 1:1 betragen oder aber hiervon abweichen. So beträgt das Bezugsverhältnis des ADRs auf Allianz (US0188201000) bspw. 1:10, so dass der Wert auch nur 1/10 des Wertes der zugrundeliegenden Allianz-Aktie beträgt. Bei Gazprom entspricht ein ADR (US3682872078) gleich zwei Aktien, bei Alibaba entspricht ein ADR (US01609W1027) genau einer Aktie. ADRs können darüber hinaus als “sponsored” oder “unsponsored” emittiert werden. Bei “sponsored” ADRs geht die Initiative für ein ADR von der jeweiligen Aktiengesellschaft aus, bei “unsponsored” von der US-Bank, die die Nachfrage ihrer Investoren bedienen will. Desweiteren werden ADRs noch nach verschiedenen Leveln unterschieden:

  • Level I: Level I-ADRs werden in den USA nur außerbörslich (OTC) gehandelt, der nicht reguliert ist. Es handelt sich um ein reines Zweit-Listing, bei dem keine neuen Aktien für eine Kapitalaufnahme ausgegeben werden und auch kein Listing an einer US-Börse möglich ist. Im Gegenzug darf auf die US-Rechnungslegung verzichtet werden.

  • Level II: Für eine Notierung an einer US-amerikanischen Börse ist mindestens ein Level II-ADR-Programm aufzulegen, die an der SEC registriert werden und die Berichts- und Offenlegungspflichten der jeweiligen Börse beachtet werden müssen.

  • Level III: Für die Aufnahme von neuem Kapital durch die Emission neuer Aktien im Sitzstaat des Emittenten und den Handel der zugehörigen ADR an einer US-Börse ist ein Level-III-Programm erforderlich. Es gelten ansonsten die gleichen Verpflichtungen wie bei Level II.

Was ist der Unterschied zwischen ADRs und GDRs?

Während ADRs für den US-amerikanischen Markt aufgelegt werden, sind GDRs für ein Listing in London konzipiert worden. Sie werden oftmals benutzt, um Kapitalerhöhungen international zu platzieren und werden in Britischen Pfund gehandelt. Steuerlich sind ADRs den Aktien inzwischen gleichgestellt. Bei der Quellensteuer gilt der Steuersatz des Heimatlandes und nicht der reduzierte Steuersatz der USA. Allerdings können bei Dividendenzahlungen zusätzliche Kosten für den Anleger entstehen, die der Emittent des ADRs für die Weiterleitung der Dividenden erhebt. Die anfallenden Kosten sind allerdings nicht hoch.

Wie steht es um die Sicherheit von ADRs und GDRs?

Die Rechtssicherheit ist beim ADR und der echten Aktie identisch, einen Unterschied gibt es hierbei nicht. Dennoch können externe Einflüsse, wie das o.g. Embargo, die Handelbarkeit von ADRs / GDRs erheblich einschränken. So müssen Anleger von ADRs auch nicht befürchten, dass sie Gläubiger der ADR-ausstellenden Bank werden, wenn diese insolvent werden. Die für die ADRs hinterlegten Aktien sind kein Bestandteil der emittierenden Bank-Bilanz, sondern als Sondervermögen Eigentum der ADR-Inhaber.

Können ADRs in die zugrunde liegende Aktie umgewandelt werden?

Eine Umwandlung von ADRs in die zugrunde liegenden Aktien ist theoretisch möglich, sofern der eigene Broker diesen Service anbietet. Zu empfehlen ist diese Umwandlung hingegen nicht. Sie ist sehr teuer, langwierig und am Ende hat man Aktien im Depot, die u.U. nicht mehr gehandelt werden können, da die Heimatbörse nicht angebunden ist oder ein Handel für Ausländer nicht möglich ist, wie z.B. teilweise in China.

Wie kann ich ADRs finden?

Ein großer Anbieter von ADRs ist die US Bank BNY Mellon, die unter der Internet-Adresse https://www.adrbnymellon.com/directory/dr-directory ein sehr übersichtliches Listing der ADRs anbietet. Dabei können ADRs anhand viele Filterkriterien, wie bspw. Land, Industrie, Emittent usw. ausgewählt werden.

Informationen zu ADRs mit russischen Aktien

In Europa können russische Wertpapiere nun auch nicht mehr an der LSX (London Stock Exchange) gehandelt werden. Die LSX hat den Handel von allen ADRs auf russische Unternehmen seit dem 3. März 2022 ausgesetzt. Zuvor hatte Russlands Zentralbank bereits einheimischen Wertpapierhändlern untersagt, russische Wertpapiere im Besitz von Ausländern zu verkaufen. Aktuell gibt es auch Gerüchte über einen Zwangsumtausch derartiger ADRs in die Ursprungsaktie, der im im September 2022 stattfinden soll, so dass Anleger gut die Nachrichtenlage sondieren und abwarten sollten. Da aktuell weder der Handel der ADRs noch der Ursprungsaktien möglich ist, bleibt Anlegern auch keine andere Wahl. Anbei der aktuelle Sachstand bei den Broker bzgl. Umwandlung russischer ADRs / GDRs nach unserer Recherche:

  • comdirect: Nein
  • Consorsbank: Nein
  • ING: Nein
  • Flatex: Ja, eingehende Überträge von russ. ADRs werden akzeptiert
  • Smartbroker: Nein
  • Trade Republic: Ja, aber keine eingehende Überträge von russ. ADRs
  • justTRADE: Nein
  • DKB: Jein, nur wenn Kunde ein auf seinen Namen vorhandenes Depot in Russland angeben kann
  • Sparkassen Broker: Jein, nur wenn Kunde ein auf seinen Namen vorhandenes Depot in Russland angeben kann
  • Postbank: Jein, nur wenn Kunde ein auf seinen Namen vorhandenes Depot in Russland angeben kann
Update vom 20.12.2022
Der Fachbereich Europa des Deutschen Bundestages hat unter dem Link eine intressante Ausarbeitung zum Thema “Depository Receipts im Lichte des EU Titel: Depository Receipts im Lichte des EU-Sanktionsrechts” veröffentlicht, die viele Sachverhalte (Umtausch in Original-Aktien, Erhalt von Dividenden, usw.) intensiv beleuchtet.

Update vom 01.08.2022
Die comdirect hat ihre Kunden mit Beständen in Gazprom ADRs angeschrieben und mit einer Frist bis zum 08.08.22 angeboten, die ADRs in die russ. Originalaktie zu wandeln. Eine Verwahrung der gewandelten russ. Aktien ist bei der comdirect / Commerzbank jedoch nicht möglich, so dass sich Kunden, im Falle einer Weisung, direkt um eine neue depotführende Bank kümmern müssten.

Gemäß Information von Clearstream Banking wird das ADR-Programm der Gattung US3682872078 Gazprom PJSC Nam.Akt.(Sp.ADRs)/2 RL zum 03.08.2023 eingestellt. Es besteht die Möglichkeit, das bis dahin nicht umgetauschte ADRs zu einem späteren Zeitpunkt in bar abgewickelt werden.

Update vom 21.07.2022
Der deutsche Verwahrer Clearstream hat angekündigt, den Umtausch der Hinterlegungsscheine (ADRs / GDRs) ab dem 18.07.2022 wieder aufzunehmen. Hier kann die Pressemitteilung abgerufen werden. Dennoch muss der Broker bzw. die Bank diesen Umtausch auch anbieten. Aktuell ist uns kein Anbieter bekannt, der dies anbietet.

Dennoch ist es so, dass eine Wandlung mit vielen Problemen behaftet ist: Es gibt keine Bank / Broker in Deutschland, der die Börse Moskau als Handelsplatz angebunden hat. Insofern werden die Aktien auf ewig unbewertet im Depot liegen, d.h. auch evtl. Verluste können nicht geltend gemacht werden. Darüber hinaus ist ein Depotübertrag von russischen Aktien zu einer anderen Bank nicht möglich. Aufgrund der Kündigung der ADRs / GDRs erfolgt durch den Emittenten, wie z.B. BNY Mellon ein Verkauf- zu welchem Kurs auch immer. Anleger werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Verluste erleiden, der sich aber wenigstens beim Fiskus steuerlich geltend machen läßt.

Update vom 14.06.2022
Der Nationale Zentralverwahrer der Russischen Föderation (NSD) wurde in die Sanktionsliste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 aufgenommen. Derzeit sind somit keine weitere Transaktion unter Einbindung des NSD erlaubt. Sämtliche Settlements in russische Emissionen (RU ISINs) sind nun geblockt. Davon betroffen sind auch Depository Receipts (ADRs/GDRs) auf russische Aktien.

Auch interessant:

  • Gravierende Änderung an der Abgeltungssteuer für 2020/2021 geplant
  • Depotaufräumarbeiten zum Jahresanfang
  • „Kursraketen“ vor dem Aus – Das Ende der US-Pennystocks
  • Steuerfalle Depotübertrag

Was passiert mit russischen ADRs?

ADR auf russische Aktien sind seit März nicht mehr handelbar Die Inhaber müssen die Hinterlegungsscheine nun binnen eines Jahres in Originalaktien tauschen, ansonsten werden die DRs zwangsweise verkauft – zu unbekannten Konditionen. Der Ertrag wird den Anlegern gutgeschrieben.

Was passiert jetzt mit Gazprom ADR?

Wer jetzt noch seine ADR, insbesondere Gazprom und Lukoil, in russische Originalaktien umtauschen möchte, für den ist es eigentlich bereits zu spät. Wie aber die russische Nachrichtenagentur Interfax am 23. September 2022 berichtet hat, beriet die Duma über eine Verlängerung der Frist zum Umtausch von ADR.

Welche Bank nimmt Gazprom ADR?

Sie müssen also zunächst wissen, welche die zuständige Depotbank für Ihre ADR bzw. Aktien ist. Zuständig für Gazprom-Aktien ist die Gazprombank. Zuständig für Lukoil-Aktien ist die AO Citibank.

Was passiert mit ADR Aktien?

Mit einem Level-III-Programm werden ADRs auf neue Aktien auf dem US-Kapitalmarkt emittiert, daher nimmt das Unternehmen mit diesem ADR-Programm neues Kapital auf. Diese ADRs werden dann an einer US-Börse gehandelt, das Unternehmen muss dann zwingend eine Konzernbilanzierung nach US-GAAP vorlegen.