Was ist über die verbreitung des hi virus von mensch zu mensch bekannt

Weltweit lebten Ende 2018 rund 38 Millionen Menschen mit HIV. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ausgerechnet der medizinische Fortschritt entscheidend dazu beitrug, das Virus zu verbreiten.

Es war eine schreckliche Tragödie, die die norwegische Familie aus Vater, Mutter und drei Töchtern Ende der 1970er-Jahre heimsuchte. Erst starb im Jahr 1976 der Familienvater an einer unerklärlichen Lungenkrankheit. Nur neun Monate später verschied seine Ehefrau, offenbar an einer seltenen Form von Leukämie. Und auch die jüngste Tochter wurde krank. Ihr Körper bekam eine besonders schwere Form der Windpocken nicht in den Griff. Sie starb im selben Jahr wie ihre Eltern. Nur die beiden älteren Töchter überlebten.

Ärzte standen dem Familiendrama hilflos gegenüber. Medikamente schlugen nicht an, die Ursache der Krankheiten blieb ihnen ein Rätsel. Das Krankenhaus lagerte jedoch Blut- und Gewebeproben ein. Mehr als ein Jahrzehnt später, im Jahr 1988, testeten Wissenschaftler diese Proben auf ein Virus, das kurz zuvor entdeckt wurde: das "Human Immunodeficiency Virus", kurz HIV.

Tatsächlich wurden sie fündig, wie die Mikrobiologin Dorothy Crawford von der Universität Edinburgh berichtet, die sich mit der Geschichte von HIV befasst hat. Die norwegische Familie gilt damit als eine der ersten, die dem Virus in Europa zum Opfer fielen – und das fünf Jahre, bevor die ersten Fälle von Aids, der Krankheit, die das Virus auslöst, in den USA erstmals erkannt worden waren.

 

HIV überträgt sich schlechter als andere Krankheitserreger

Dass sich das Virus über die drei infizierten Personen hinaus nicht verbreiten konnte, hängt mit einer Besonderheit von HIV zusammen: Im Vergleich zu vielen anderen Krankheitserregern überträgt es sich schlecht. Anders als die Grippe wird es nicht schon dadurch weitergegeben, dass ein Infizierter in einem Raum voller Menschen niest. Anders als bei Ebola reicht auch nicht der bloße Körperkontakt mit Infizierten. Und anders als bei Malaria oder Dengue-fieber stellen auch Mückenstiche keine Gefahr dar.

Um jemanden anzustecken, muss stattdessen eine infektiöse Körperflüssigkeit wie Blut, Sperma oder Vaginalsekret durch Wunden der Haut oder Schleimhaut in den Körper eines anderen Menschen gelangen. Dies kann etwa beim Sex geschehen, bei der Geburt, oder wenn nicht ausreichend sterilisierte Spritzen benutzt werden, sei es in der Medizin oder unter Drogenabhängigen, die ihre Nadeln teilen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin G/GESCHICHTE

Während die neue Krankheit in den frühen 1980ern nicht zuletzt wegen ihrer unklaren Herkunft und ihres tödlichen Ausgangs oft Hysterie und Panik auslöste, ist es kühl und analytisch vorgehenden Medizinhistorikern und Mikrobiologen mittlerweile gelungen, die Geschichte der Ausbreitung von HIV in vielen Details nachzuzeichnen. Dabei zeigt sich: Mehr als einmal kam dem Virus der Zufall zu Hilfe – und das ausgerechnet auch in Form des medizinischen Fortschritts.

Übertragung über infizierte Affen auf den Menschen

Schon kurz nach der ersten Beschreibung von Aids im Juni 1981 durch amerikanische Ärzte erkannten Wissenschaftler am New England Primate Research Center in Boston, dass einige ihrer Affen an Symptomen litten, die denen von Aids frappierend ähnelten – und dass die Tiere mit einem Virus infiziert waren, das HIV äußerst ähnlich war. Die Forscher nannten es SIV, "Simian Immunodeficiency Virus", weil es Affen (lateinisch simia) befällt.

Dieser Spur folgend fanden Mikrobiologen zu ihrer Überraschung heraus, dass wild lebende Affen in Afrika mit insgesamt mindestens 40 verschiedenen Typen von SIV infiziert waren, die manchmal nicht einmal Krankheitssymptome auslösten. Weitere Analysen zeigten, dass HIV mit jenem SIV weitgehend identisch ist, das Schimpansen im südwestlichen Kamerun mit sich tragen.

Damit hatten die Forscher den Ursprung des Virus identifiziert: Es war höchstwahrscheinlich entweder von einem gefangenen Schimpansen aus der Gegend auf den Menschen übergesprungen oder bei einem Kontakt zwischen Mensch und Tier in einem Haushalt oder der freien Natur.

 

Weil Menschen und Schimpansen genetisch sehr eng miteinander verwandt sind, wurden die Tiere im 20. Jahrhundert immer wieder für medizinische Versuche genutzt oder, nach anderer Sichtweise, missbraucht. Den Tieren wurde beispielsweise menschliches Blut injiziert, um die Körperreaktionen zu testen. Umgekehrt wurden aber auch Menschen Körperflüssigkeiten und selbst Organe von Schimpansen transplantiert.

In einem besonders bizarren Experiment ließen sich offenbar einige Männer sogar Schimpansenhoden einsetzen – in der (vergeblichen) Hoffnung, dadurch ein längeres Leben zu gewinnen. Theoretisch hätte bei manchen dieser Experimente auch SIV übertragen werden können, doch ließ sich keine Infektion zu Teilnehmern dieser Studien zurückverfolgen.

Da Schimpansen große, kräftige und aggressive Tiere sind, wurden sie nicht als Haustiere gehalten. Dies ließ nur noch einen Übertragungsweg übrig: die Jagd. Ein verletzter Jäger hätte beim Erlegen eines Schimpansen ebenso leicht mit dessen Blut in Kontakt kommen können wie ein Koch, der sich zum Beispiel bei der Zubereitung von Schimpansenfleisch mit einem Messer schnitt. Zwar wurden Schimpansen von der Landbevölkerung in Kamerun normalerweise nicht gejagt, im Einzelfall kam dies aber vor – statistisch gesehen oft genug, um hin und wieder einen Menschen mit SIV zu infizieren.

Warum gelang es dem Virus dann doch, eine Pandemie, also eine länder- und kontinentübergreifende Epidemie, auszulösen?

Wie im Falle der norwegischen Familie dürften aber die meisten dieser Infektionen von selbst ausgestorben sein, nachdem die Infizierten an den Folgen von Aids gestorben waren, ohne das Virus an eine größere Zahl von Menschen weiterzugeben. Warum gelang es dem Virus dann aber doch, eine Pandemie, also eine länder- und kontinentübergreifende Epidemie, auszulösen?

Um dieses Rätsel zu lösen, bestimmten Wissenschaftler zunächst den ungefähren Zeitpunkt der ersten Übertragung von SIV auf den Menschen. Dazu nutzten sie ein Verfahren, das als "molekulare Uhr" bezeichnet wird. Es macht sich zunutze, dass den Viren bei der Vermehrung im Körper Fehler unterlaufen und sie auf diese Art und Weise immer wieder neue Virenvarianten produzieren.

Da bekannt ist, mit welcher Geschwindigkeit sich HIV verändert, kann aus dem Vergleich mehrerer Varianten errechnet werden, wann diese den letzten gemeinsamen Ahnen hatten. Die Berechnungen zeigten, dass sich der erste Mensch um 1920 mit dem Virus infiziert haben muss, schreibt der Mikrobiologe und HIV-Experte Jacques Pépin von der Université de Sherbrooke in Kanada.

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Zu jener Zeit war Zentralafrika unter europäischen Mächten aufgeteilt. Diese unternahmen in den 1920er-Jahren erhebliche Anstrengungen, um Tropenkrankheiten wie die Schlafkrankheit oder die Malaria einzudämmen. Erstmals wurden großen Teilen der Bevölkerung in Kamerun und im benachbarten Kongo Medikamente intravenös, also per Spritze, verabreicht. Weil die genauen Übertragungswege von Viren noch unbekannt waren und Injektionsnadeln knapp, wurden diese mehrfach verwendet, ohne sie ausreichend zu sterilisieren.

Mit nur sechs verfügbaren Spritzen wurden beispielsweise rund 5000 Menschen in der Zentralafrikanischen Republik gegen die Schlafkrankheit behandelt. Für die Mikrobiologin Dorothy Crawford ein im Nachhinein extrem riskantes Vorgehen: "Es ist äußerst wahrscheinlich, dass gelegentlich durch Blut übertragene Viren zusammen mit Medikamenten verabreicht wurden." Sie vermutet, dass sich damals erstmals eine kleine Gruppe von Menschen mit HIV infizierte.

Städtewachstum und Prostitution erhöhen das Ansteckungsrisiko

Noch eine zweite Entwicklung spielte dem Virus in jenen Jahren in die Hände: Das Wachstum der größeren Städte, besonders von Brazzaville und Léopoldville, dem heutigen Kinshasa, im Kongo. Hier siedelten die Kolonialbehörden vor allem Männer an, die sie als Arbeitskräfte beschäftigten. Der große Männerüberschuss hatte bald eine erwartbare Folge: Die Prostitution nahm rapide zu.

Zog nun einer der wenigen Infizierten in die Stadt und ging zu einer Prostituierten, konnte er HIV auf sexuellem Wege weitergeben. Die Zahl potenziell Infizierter wuchs auch dadurch, dass in den Städten wie auf dem Land nicht ausreichend sterilisierte Spritzen genutzt wurden – etwa zur Behandlung von Geschlechtskrankheiten wie Syphilis. Dennoch blieb die Infektion zu diesem Zeitpunkt wohl noch auf einen relativ kleinen Kreis beschränkt, gerade groß genug, um sie nicht von selbst ausglimmen zu lassen.

Zur weltweiten Epidemie bedurfte es erst noch einer politischen und ökonomischen Katastrophe – und die sollte bald folgen. Nach der Unabhängigkeit des Kongo im Jahr 1960 brach in kürzester Zeit das politische System zusammen. Ein brutaler Bürgerkrieg begann. Auch das Wirtschaftssystem des Kongo stürzte in den Abgrund. Im Jahr 1980 betrug die Kaufkraft des durchschnittlichen Kongolesen nur noch 8 Prozent der Kaufkraft von 1960, die Arbeitslosigkeit stieg auf rund 50 Prozent. Parallel dazu nahm auch die Prostitution ein zuvor ungekanntes Ausmaß an. Eine viel größere Zahl an Frauen war jetzt aus Not darauf angewiesen, ihren Körper zu verkaufen. In jenen Jahren dürfte die Zahl der HIV-Infizierten im Kongo in die Höhe geschnellt sein.

Entwicklungshelfer tragen das Virus in die Welt

Auch das Puzzleteil des norwegischen Familienvaters passt in dieses Bild: Er war zehn Jahre vor seinem Tod in den 1960er-Jahren häufig in Westafrika als Seemann im Einsatz. Er könnte sich auf einer dieser Reisen infiziert haben. Anschließend könnte er das Virus an seine Frau weitergegeben und diese anschließend bei der Geburt oder dem Stillen die gemeinsame Tochter angesteckt haben.

Und nicht nur nach Norwegen gelangte das Virus in jener Zeit. Um der wirtschaftlichen und politischen Katastrophe im Kongo Herr zu werden, setzten die Vereinten Nationen ein Hilfsprogramm auf. Besonders engagiert zeigte sich die Republik Haiti. Insgesamt waren rund 4500 Haitianer im Kongo als Entwicklungshelfer im Einsatz. Doch einer von ihnen infizierte sich dort mit dem noch unbekannten Virus. Nach seiner Rückkehr nach Haiti verbreitete sich HIV dort über Blutbanken und erreichte bald die USA und Europa. Erstmals war es dem Virus gelungen, sich weltweit auszubreiten.

Die heutige weltweite HIV-Epidemie, das zeigt die Indizienkette, war folglich mehr als eine Naturkatastrophe. Moderne Transportmittel erleichterten die globale Verbreitung des Virus. Ohne soziale Probleme, Krieg und Armut und die damit zusammenhängende Ausweitung der Prostitution wäre HIV auf einen kleineren Personenkreis beschränkt geblieben. Und die eigentlich wohlmeinenden Ansätze der Kolonialmedizin haben, weil sie die mögliche Verbreitung eines Virus nicht berücksichtigten, die Pandemie mit hoher Wahrscheinlichkeit überhaupt erst möglich gemacht.

Der Artikel stammt aus dem aktuellen Magazin G/GESCHICHTE 10/2019 „Sturm der Angelsachsen“ Autor: Tobias Sauer

*Der Beitrag "Ursprung von HIV: Wie das Virus zur globalen Bedrohung wurde" wird veröffentlicht von G/Geschichte. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

Wie verbreitet sich das HI

Infektionswege. HIV wird durch Blut und andere infektiöse Körperflüssigkeiten, im Wesentlichen Sperma, Vaginalsekret und den Flüssigkeitsfilm auf der Darmschleimhaut übertragen. Häufigster Übertragungsweg sind ungeschützte Sexualkontakte.

Wann wurde das HI

1983. Der französische Virologe Luc Montagnier und sein amerikanischer Kollege Robert Charles Gallo entdecken das HI-Virus.

Wo befindet sich der HI

Kurz nach der Infektion mit HIV vermehrt sich das Virus im Körper besonders stark..
Im Blut,.
Im Sperma und..
im Flüssigkeitsfilm auf den Schleimhäuten von Vagina, Enddarm und Penis..