Warum können eltern nicht beide kinder gleich behandeln

Sobald es frische Blaubeeren gibt, werden meine Töchter (5 und 8 Jahre) zu Erbsen- ähm, besser gesagt zu Beerenzählerinnen. Mit Argusaugen überwachen beide, dass die Beeren genau abgezählt in zwei Schälchen landen. Bei einer Bekannten geht es noch pinge­liger zu: Da vergleichen drei halbwüchsige ­Söhne jedes Jahr an Heiligabend mit der Taschen­rechner-App, ob jemand insgesamt teu­rere Geschenke bekommen hat.

Rivalität steckt in den Genen

Der Psychologe Professor Dr. Rainer Riemann mit dem Fachgebiet Zwillings- und Persönlichkeitsforschung von der Universität Bielefeld kann solches Verhalten gut nachvollziehen: "Die geschwisterliche Rivalität um Ressourcen, sei es nun Nahrung, materieller Besitz oder Zuwendung der Eltern, scheint in unserer genetischen Ausstattung verankert zu sein. Vermutlich, weil es evolu­tionsgeschichtlich einen Überlebensvorteil bot, mehr einzufordern als die Brüder und Schwestern." So wie die Vögelchen im Nest, die am lautesten kreischen und den Hals am höchsten recken, am Ende die meisten Würmer bekommen. Zum Glück leben wir in ­einer Zeit und einer Gesellschaft, in der die ­meisten Geschwister keine Angst haben müssen, tatsächlich zu kurz zu kommen. Weder an Essen, noch an Spielsachen oder Zuwendung der Eltern mangelt es in der Regel. Trotzdem beklagen sich die Kleinen oft über Benachteiligungen.

Gleiches Recht für alle

In einer Befragung der US-amerikanischen Cornell University aus dem Jahr 2010 gaben nur rund 15 Prozent der Kinder mit Geschwistern an, dass die Mutter alle gleich behandele; die Mehrheit fühlte sich zurück­gesetzt. Gerade die Privile­gien der älteren oder jüngeren Ge­schwis­ter sorgen für Unmut. "Der darf so lange aufbleiben und ich nicht!" oder "Die trägst du noch so viel, und ich muss immer laufen!". Solche Beschwerden kennen vermutlich alle Mehrfach-­Eltern. "Kinder unterscheiden oft nicht zwischen gleich behandeln und gerecht behandeln", sagt Di­plom-Sozialpädagogin Cornelia Mack aus Filderstadt. "Die Großen fühlen sich gekränkt, weil nach­folgende Geschwister ihnen ihren Platz streitig machen. Und die Kleineren müssen damit klarkommen, dass der Entwicklungsvorsprung der Älteren erst mal nicht einzu­holen ist."

Vorwürfe ernst nehmen

Was als unfair empfunden wird, zählt zu den wichtigen Lektionen des Familienlebens: Eine völlige Gleichstellung aller Kinder ist ­allein durch die unterschiedlichen Altersstufen nicht möglich – und wäre selbst bei eineiigen Zwil­lingen nicht sinnvoll, findet Riemann. "Jedes Kind hat individuelle Bedürfnisse und Persönlichkeitsmerkmale. Eines will vielleicht stundenlang Fußball spielen, während das andere lieber im Zimmer bastelt. Wenn Eltern auf solche Vorlieben dem Alter angemessen ein­gehen, tun sie am meisten für ein Gefühl von gerecht verteilter Aufmerk­sam­keit und Zuwendung."

"Du hast meine Schwester lieber als mich!" – von diesem Klagelied fühlen sich ­Eltern besonders getroffen. "Dabei möchte ein Kind, das diesen Satz ­­äußert, einfach mal fest in den Arm genommen werden", sagt Expertin Cornelia Mack. "Es will sich der Liebe der Eltern rückversichern, die im Alltagstrubel manchmal in den Hintergrund tritt." Dann tun Kuscheln und eine Erwiderung wie "Ich habe euch alle lieb und bin so froh, dass es dich gibt" gut.

Anlass zum Reflektieren

Ein solcher Vorwurf ist aber immer auch ein Anlass, über die eigene Verfassung nachzudenken: Bin ich beruflich stärker eingespannt als sonst und daher den Kindern gegenüber insgesamt weniger aufmerksam? Braucht ein Kind wirklich gerade mehr Zuwendung als die Geschwister, weil es kränkelt, ständig Wutaus­brüche erlebt oder im Kindergarten aneckt? "Oft sind solche Klagen aus der Situation heraus zu erklären", so Rainer Riemann. Er rät, in ­einem zugewandten, respektvollen Gespräch zu klären, warum ein Gefühl von Vernachlässigtwerden entstanden ist. Häufig wirken schon verstärkte Schmuseeinheiten, jeden Tag zehn Minuten exklusive Vor­lesezeit oder ab und zu ein Solo-Ausflug mit Mama oder Papa ohne Geschwister kleine Wunder.

Aus Rangeleien lernen

Ob Blaubeer-Konkurrenz oder Gerangel um den schönsten Fensterblick beim Zugfahren – wenn meine Mädchen demnächst wieder ihr "Die hat aber"-Gezeter anstimmen, wird mich auf jeden Fall die folgende Studie trösten: Forscher der Universität von Cambridge stellten nämlich kürzlich fest, dass ausgiebiger Streit unter Brüdern und Schwestern zu einer positiven Persönlichkeitsentwicklung beiträgt. Vor allem die soziale Intelligenz wird gestärkt, Aggressionen können auf Dauer besser kontrolliert werden. "Und sogar das phasenweise Gefühl des Zurückgesetztseins, das auch außerhalb der Familie immer wieder mal im Leben auftreten wird, birgt großes Potenzial", schließt Cornelia Mack. "Denn in solchen Momenten lernen Kinder, ihre Bedürfnisse zu formulieren und einzufordern."

Geschwister Haben Sie ein Lieblingskind?


08.09.2010Lesedauer: 4 Min.

Warum können eltern nicht beide kinder gleich behandeln

Eltern müssen darauf achten, Zuneigung gerecht zwischen Geschwistern zu verteilen. (Quelle: imago-images-bilder)
Warum können eltern nicht beide kinder gleich behandeln

„Ich glaube, Mama hat meinen Bruder lieber als mich.“ Vielleicht hat ja auch eines Ihrer Kinder schon einmal dieses Gefühl geäußert. Oft ist diese Sorge unbegründet und entsteht nur durch ein kurzfristiges Gefühl der Benachteiligung, zum Beispiel weil der Bruder oder die Schwester ein Geschenk bekommen hat und man selbst leer ausgegangen ist. Manchmal haben die Kinder aber auch recht mit ihrer Befürchtung. Denn obwohl alle Eltern wissen, dass Sie Ihre Kinder gleich lieb haben sollten: Die Realität sieht hin und wieder anders aus. Die Frage, ob alle Geschwister die gleiche Aufmerksamkeit bekommen und ob man alle seine Kinder wirklich gleich liebt, müssen viele Eltern - wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst sind - mit einem „Nein“ beantworten. Ein schlechtes Gewissen ist da vorprogrammiert. Wie können Eltern damit umgehen, wenn Sie ein Kind dauerhaft bevorzugen? Und wie reagiert man auf Nachfragen der Kinder?

Ein Lieblingskind ist nichts Ungewöhnliches

Eigentlich haben Geschwister viel gemeinsam: Die gleichen Eltern, das gleiche soziale Umfeld. Doch Intelligenz und Persönlichkeit unterscheiden sich oft stark. Studien zeigen: Auch wenn sie es leugnen, haben die meisten Eltern ein Lieblingskind. Die Hälfte der Mütter geben in Studien zu, ein Kind zu bevorzugen. Kinder sind noch empfindlicher. 70 Prozent von Ihnen berichten von parteiischen Eltern? Häufig wird das Nesthäkchen zum Lieblingskind oder der Sohn oder die Tochter, die dem Vater oder der Mutter besonders ähnelt. Schnell ist dann trotz anders lautender Vorsätze der Eltern das eine Kind ein bisschen "gleicher" als die anderen.

Völlige Gleichbehandlung ist aussichtslos

Eltern haben den Anspruch an sich selbst, alle Kinder gleich zu lieben und zu fördern, tief verinnerlicht. Im Alltag mit mehreren Kindern erweist sich das Bemühen, immer gleich zugewandt, zärtlich und aufmerksam zu sein, aber allzu oft als vergeblich. Denn machen wir uns keine Illusionen: Jeden Tag allen Kindern die gleiche Aufmerksamkeit und Liebe entgegenzubringen, ist ein unerfüllbares, zum Scheitern verurteiltes Ziel. Kinder sollten zwar spüren, dass die Eltern allen Geschwistern gerecht werden wollen. Das muss aber nicht heißen, dass auch alle Kinder gleich behandelt werden sollten. Kinder sind verschieden und haben je nach Alter und Temperament unterschiedliche Bedürfnisse.

Rivalitäten vermeiden

Geschwister rivalisieren von Natur aus um die Gunst und Aufmerksamkeit der Eltern. Gibt es ständig Streit, sollten Eltern überlegen, ob eines der Kinder zu wenig Aufmerksamkeit bekommt oder zu viel Rücksichtnahme von ihm verlangt wird. Oft legen Eltern versehentlich an eines ihrer Kinder strengere Maßstäbe an, als an das andere. Oft profitiert hier das jüngere Kind. Um die natürliche Geschwisterrivalität nicht unnötig zu verstärken, sollten Eltern Vergleiche vermeiden und niemals ein Kind als Vorbild für das andere hervorheben. Das ist Gift für die Geschwisterbeziehung und hat keinerlei positive Auswirkungen auf das Verhalten des gescholtenen Kindes. Auch beim Geschwisterstreit Partei zu ergreifen, sollten Eltern, soweit dies möglich ist, vermeiden. Tun sie es doch, steht ein Kind plötzlich als Gewinner da und das andere als Besiegter. Ganz schnell kommt hier für den "Unterlegenen" das Gefühl auf, seine Belange würden von den Eltern weniger berücksichtigt. In der Folge buhlt er dann nur noch mehr um Aufmerksamkeit und eigene "Siege" und stachelt nur noch weiter. Fühlt er sich dagegen gerecht behandelt, hat er dazu keinen Grund, was auch das Geschwisterverhältnis entspannt.

Extrazeit für jedes Kind

Alle Kinder lieben es, Mama oder Papa mal ganz für sich zu haben. Planen Sie deshalb hin und wieder für jedes Kind eine Extra-Zeit ein: zum Vorlesen, Spielen oder für eine gemeinsame Unternehmung. Sollten Sie ein Lieblingskind haben, ist es vor allem für den übrigen Nachwuchs wichtig auch einmal zum Zuge zu kommen. Ihr Kind genießt das Mehr an Aufmerksamkeit, das es in der Eins-zu-Eins-Situation mit Ihnen erlebt. Aber auch für Sie lohnen sich diese Momente. Denn dabei rücken die liebenswerten Seiten Ihres Kindes stärker in den Fokus. Wenn ein Kind beispielsweise gerade bei einem Freund ist, können Sie die Zeit nutzen und sich gezielt mit dem anderen beschäftigen. Natürlich wird es immer schwieriger, jedem Kind einigermaßen regelmäßig Extrazeit zukommen zu lassen, je mehr Kinder ein Elternpaar hat. Um es doch irgendwie zu bewerkstelligen, können Sie die Großeltern, Freunde und Nachbarn einspannen. Teilen Sie sich am Wochenende hin und wieder als Familie auf, so dass ein Kind wenigstens einen Elternteil mehrere Stunden lang für sich hat. Lassen Sie das vermeintlich zurückgesetzte Kind eine Unternehmung aussuchen und genießen sie den Tag.

„Hat Mama meinen Bruder lieber als mich?“

Jedes Kind spürt irgendwann einmal eine Unsicherheit, ob es genauso sehr geliebt wird, wie seine Geschwister. Zum Beispiel, wenn ein Geschwisterchen geboren wird, ist das für das Erstgeborene oft schwierig. "Haben Mama und Papa mich überhaupt noch lieb?", oder "Hat Mama meinen Bruder jetzt lieber als mich?", sind typische Sorgen, die die Älteren beschäftigen. Gehen Sie auf die Sorgen ein, auch wenn diese unbegründet sind. Erklären Sie Ihrem größeren Kind, dass der Bruder oder die Schwester mehr Aufmerksamkeit braucht, weil er noch kleiner ist und deshalb noch mehr Hilfe benötigt und die Eltern noch mehr aufpassen müssen. Wenn Sie das geschickt formulieren, ist das für das ältere Kind sogar ein Lob. Manchmal aber haben Kinder einfach auch nur ein gutes Gespür für die Realität und das Gefühl, Bruder oder Schwester würden bevorzugt beziehungsweise mehr beachtet, trifft zu. Erklären Sie in diesem Fall, dass Sie jedes Kind einfach nur auf unterschiedliche Art lieben. Nennen Sie Ihrem Kind Eigenschaften und Fähigkeiten, die Sie an ihm besonders schätzen und die beim anderen Kind weniger ausgeprägt sind.

Warum behandeln Eltern ihre Kinder unterschiedlich?

Allerdings hat das Phänomen beim Menschen auch kulturelle Komponenten. Bevorzugt wird häufig, wer pflegeleicht oder besonders intelligent ist, weil das ein gutes Licht auf die Eltern wirft und sie stolz macht. Zudem fühlen sich manche Mütter einer Tochter näher, die ihnen sehr ähnlich ist.

Kann man seine Kinder gleich behandeln?

Kinder müssen auch nicht gleich behandelt werden, gleichwertig aber schon. «Ein Kind zu bevorzugen, ist ein Tabu», erklärt der Münchner Familienforscher Prof. Hartmut Kasten. Deshalb haben die meisten Eltern ein schlechtes Gewissen, wenn sie fühlen, dass sie eines ihrer Kinder mehr lieben als die anderen.

Kann eine Mutter ein Kind mehr lieben als das andere?

Offen zugeben würde es niemand, aber Studien belegen: Fast alle Eltern haben ein "Lieblingskind", dem sie besonders viel Zuneigung schenken. Nein, natürlich haben Eltern alle ihre Kinder gleich lieb.

Wie Geschwister gleich behandeln?

Geschwister müssen nicht gleich behandelt werden, denn Gleichmacherei wird keinem Kind gerecht. Vielmehr sollte beim Thema „Geschwister erziehen“ beachtet werden, dass jedes Kind eine individuelle Behandlung gemäß seinen Bedürfnissen und altersentsprechenden Fähigkeiten braucht.