Wie der müll geordnet wird: roman iris hanika

Roman von Iris Hanika

Die deutsche Autorin Iris Hanika hat Mülltrennung und -entsorgung als weitläufige Metapher für einen Roman über das Berlin kurz nach dem Fall der Mauer verwendet. "Endlich! Ein Wenderoman aus West-Berliner Sicht", jubelte die "Berliner Zeitung".

8. April 2017, 21:58

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Iris Hanika, "Wie der Müll geordnet wird", Roman, Droschl Verlag

"Wie der Müll geordnet wird" nennt Iris Hanika ihren neuen Roman. Und wer die Autorin kennt, der weiß, dass sich hinter einem Titel wie diesem eine gehörige Portion Sarkasmus verbirgt. Ihre Bücher sind boshaft, hintersinnig und subversiv. Sie stecken voller Fallen.

Antonius kommt als skurriler, sozial vollends inkompatibler Sonderling daher. Als Sohn eines reichen Möbelfabrikanten hat er karrieretechnisch versagt. Ein Aufenthalt in der Psychiatrie hat ihm Freiheiten beschert: Fortan ist er in der väterlichen Firma nicht mehr tragbar, ebensowenig als Ehemann und Vater. Er kann sich also vollends seinen wunderlichen Neigungen hingeben Und so beginnt er, in seinem Leben aufzuräumen. Er mistet seinen inneren Saustall aus und bemerkt, dass das nicht tagesfüllend ist. Also beschäftigt er sich mit dem Müll fremder Leute.

Iris Hanika hat keine Scheu ihrem Roman eine wilde Mischung an Genres aufzuladen: Er ist gleichzeitig Groteske, Liebesgeschichte, Familiensaga und Krimi. Ziemlich viel auf einmal. Zumal die Perspektiven schnell wechseln, und mit ihnen die Tonlage und der Erzählduktus. Manchmal quietscht es, wenn die Autorin die Teile des Buches zusammenschraubt. Da gerät der Band in eine Schieflage und die Sprache büchst aus. Die Metapher vom Müll und Mist, den wir mit uns herumschleppen, wird ziemlich strapaziert. Aber weil sich Iris Hanika so unbekümmert, mutig und frech gibt, sieht man ihr manches nach.

Iris Hanika

Literaturverlag Droschl, 2015 - 298페이지

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Ein Roman über die Mitte des Lebens, wenn sich alles noch einmal neu ordnet. Schauplatz: Berlin an der Bruchstelle der Zeiten und Systeme (kurz nach dem Mauerfall). Und wie in "Treffen sich zwei" werden wir in Bann gezogen von dem heiteren und oft auch weniger heiteren Reigen der Beziehungen und Paarungen, die Iris Hanika klug und humorvoll in Szene setzt.

In einem berühmten Roman, einer Lieblingslektüre in den 1980er Jahren, stiehlt ein Bub ein Buch. Während er es liest, rutscht er immer tiefer in die Handlung, wird mit ihr verwoben und kann sich zu guter Letzt nicht mehr alleine daraus befreien. Fast alle Handlungsstränge jenes Buches haben ein offenes Ende. Der wunderbare neue Roman Iris Hanikas erinnert an vielen Stellen an diese "Unendliche Geschichte":

Der Inhalt von "Wie der Müll geordnet wird" lässt sich nicht in wenigen Sätzen erzählen, der Roman fügt sich damit geschmeidig in die Reihe aller Bücher Hanikas seit "Treffen sich zwei" (2008). Auch einige Motive scheint man schon aus früheren Werken zu kennen: Heavy Metal, Vergangenheitsbewältigung, Berlin, die Liebe! In "Wie der Müll geordnet wird" geht es allerdings erst einmal um den Unsinn.

Antonius, so beginnt das Buch, will nämlich nur noch sinnlose Dinge tun. Er verweigert sich - und erinnert damit an Melvilles Bartleby - den Zumutungen (s)einer Existenz. Deshalb beginnt er auch, den Inhalt von Mülltonnen zu sortieren. Ein Heft, das er dabei findet, stellt sich als das Tagebuch Renates heraus. Im Zuge von Antonius’ Lektüre des Journals überschneiden sich die Geschichten der beiden. Renate nämlich will verschwinden, weil ihr dieses Leben, salopp gesagt, nichts mehr bringt.

"Wie der Müll geordnet wird" besteht aus drei Teilen und einem reizenden Vorwort. Der Umfang dieser drei Teile variiert stark, ebenso stark variieren (vor allem auf den ersten Blick) die handelnden Personen. Der erste Teil ist der, in dem man dem Protagonisten das wünscht, was man auch Michael Endes Helden Bastian Balthasar Bux wünscht: dass er aus seiner unendlichen Geschichte doch bitte wieder herausfinden soll. Bei Hanika ist es besagter Antonius, der in Wirklichkeit Manfred heißt, der in einem Müllcontainer jenes Tagebuchheft findet, das Antonina, die in Wirklichkeit Renate heißt, geführt hat, - zumindest so lange, bis sie es in den Mist beförderte. Das ist unkomplizierter beschrieben, als es hier klingt.

Das Spiel mit den Namen deutet darauf hin, dass es hier (auch) um Identitätsfindung geht: Kann man sich mit einem neuen Namen eine neue Persönlichkeit, ein neues Hirn, ein neues Gesicht zulegen? Folgerichtig schreibt Hanika ihre Geschichte durch die drei zeitlichen Ebenen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - um die Antworten auf diese Fragen durchzuspielen.

Das Buch enthält zahlreiche Exkurse und als solche zitierte fun facts: etwa über Daniil Charms, Johann Christian Hallmann, Nabokov, Joseph Conrad und den legendär großen Penis von John Holmes. An einigen Stellen fühlt man sich aufgrund der Exkurse, die manchmal in massiven Fußnoten ausgeschritten werden, dazu gedrängt, den Haupttext weiterzulesen - und die Fußnoten vielleicht doch lieber ein andermal.

Was man auch ohne Fußnoten versteht: dass es in diesem Buch um die Sinnlosigkeit des Lebens geht, und dass Menschen unter dieser Sinnlosigkeit vielleicht besonders stark in der Mitte des Lebens leiden. (Abgesehen davon, dass man immer nur gefühlt in der Mitte des Lebens sein kann, denn schon morgen kann einen der berühmte unerwartete Ziegelstein erschlagen, und dann wäre die Mitte des Lebens unerkannt an einem vorbei gegangen.)

"Wie der Müll geordnet wird" offeriert, wie alle Werke Iris Hanikas, wunderschöne Sequenzen, in denen man mit den Protagonisten mitleidet, mit ihrem ganzen Liebeskram und ihrem oft selbst gemachten Kummer. Den Figuren durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu folgen ist nicht immer ganz einfach. Aber ist es nicht das Schönste, in einem Buch verloren zu gehen, sodass man sich ohne fremde Hilfe nicht mehr daraus zu befreien vermag? Dieser Roman ist eine unendlich schöne Geschichte.

Iris Hanika: Wie der Müll geordnet wird. Roman. Droschl, Graz 2015, 304 Seiten, 20,- Euro.