»Grundsätzlich unterscheidet man akute von chronischen Durchfällen«, sagte Professor Dr. Gerald Holtmann von der australischen University of Queensland bei einer Veranstaltung der Gastro-Liga in Berlin. Der Unterschied ist die Dauer: Akute Durchfälle klingen in der Regel innerhalb von ein bis zwei Wochen wieder ab; dauern sie vier Wochen oder länger, sind sie chronisch. Wichtigste Empfehlung bei akuter Diarrhö ist die ausreichende Flüssigkeitszufuhr, am besten mit einer Glucose-Elektrolyt-Lösung. An der entsprechenden Rezeptur der Weltgesundheitsorganisation orientieren sich diverse Fertigarzneimittel, zum Beispiel Elotrans® für Erwachsene und Oralpädon 240® für Kinder.
»Akute Diarrhö kann ein unliebsames Reisemitbringsel sein«, sagte Holtmann. Ist diese bakteriell oder viral bedingt? Diese Frage lässt sich auf Reisen nicht beantworten. Eine empirische Antibiotika-Therapie mit Ciprofloxacin beziehungsweise in Südostasien mit Azithromycin sollte daher nur bei starken Beschwerden erfolgen.
Trotz der Gefahr einer Resistenzbildung plädierte Holtmann für eine frühzeitige Antibiose in diesen Fällen. Denn je länger eine Reisediarrhö anhält und je schwerer sie verläuft, umso größer ist das Risiko, dass der Patient ein postinfektiöses Reizdarmsyndrom (RDS) entwickelt. »Eine Metaanalyse hat gezeigt, dass das bei 5,4 Prozent aller Patienten mit Reisediarrhö eintritt«, zitierte der Referent eine kürzlich im Fachjournal »Alimentary Pharmacology and Therapeutics« publizierte Arbeit (DOI: 10.1111/apt.13199).
Antibiotika, die aus anderem Anlass gegeben werden, können auch ihrerseits Durchfall auslösen, da sie die Darmflora gehörig durcheinanderbringen. Um das zu verhindern, empfahl Holtmann die Einnahme von Probiotika. »Sie verringert das Risiko einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö auf etwa 60 Prozent.« Am effektivsten seien Lactobacilli.
Das RDS ist mit mehr als 50 Prozent die häufigste Ursache chronischer Durchfälle bei Erwachsenen. Es handelt sich um eine funktionelle Störung, also Beschwerden ohne erkennbare organische Ursache. RDS ist eine Ausschlussdiagnose, wenn andere mögliche Ursachen des chronischen Durchfalls, beispielsweise chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie, mikroskopische oder kollagene Colitis, nicht nachgewiesen werden konnten.
Bei milderen Formen des Durchfalls kann die Einnahme von Flohsamen (Psyllii semen) Linderung verschaffen. Der Gelbildner vermengt sich mit dem übrigen Darminhalt und wird von Darmbakterien nur teilweise abgebaut. »Somit kann Flohsamen harte Stühle weicher und flüssige Stühle konsistenter machen«, erklärte Holtmann.
Loperamid oder Racecadotril
Sowohl bei akuter als auch bei chronischer Diarrhö wird zur Symptomlinderung häufig Loperamid (Imodium® und viele Generika) eingesetzt. Problematisch ist dabei, dass die erforderliche Dosis individuell sehr unterschiedlich sein kann. »Loperamid muss nach Wirkung dosiert werden«, sagte Holtmann. Dabei komme es nicht selten zu akuter Verstopfung.
Als ebenfalls rezeptfreie Alternative steht seit zwei Jahren Racecadotril (Vaprino®) zur Verfügung. Der Enkephalinase-Hemmer beeinflusst nicht wie Loperamid die Darmmotilität, sondern reduziert stattdessen die übermäßige Abgabe von Wasser und Elektrolyten ins Darmlumen. »In randomisierten Studien war Racecadotril ebenso wirksam wie Loperamid«, informierte Holtmann. Gegenüber dem Opioid habe Racecadotril den Vorteil, dass es weniger häufig zu Übelkeit als Nebenwirkung komme.
Prinzipiell hält Holtmann die Beeinflussung der Sekretion für einen Schlüsselmechanismus zur Therapie der Diarrhö. »Nachdem jahrelang nichts Neues kam, befinden sich mittlerweile einige neue Substanzen in weit fortgeschrittenen Phasen der Entwicklung.« Als Beispiel nannte der Referent R-568, einen Agonist am Calciumsensitiven Rezeptor, der die überschüssige Sekretion in den Darm bremst. Ebenfalls in Phase III der klinischen Prüfung befindet sich der Opioid-Rezeptor-Agonist Eluxadolin, der als Viberzi® in den USA bereits seit Mai 2015 zugelassen ist. /
Der Wirkstoff Loperamid mindert Darmbewegungen und sorgt auf diese Weise dafür, dass sich der Darm nicht so häufig entleert. Wenn bei Durchfall der Stuhl dünnflüssig ist, kann das hilfreich sein – auch wenn das Mittel die Erreger nicht beseitigt.
Loperamid gibt es ohne und mit Rezept. Wir stellen nur die in Deutschland erhältlichen Präparate vor, die es rezeptfrei in der Apotheke gibt. Die Tagesdosis für Erwachsene beträgt maximal 6 Tabletten. Die Preisunterschiede sind erheblich: Das -teuerste Präparat kostet fast vier Mal so viel wie das günstigste.
Loperamid kann zu Verstopfung führen
Diese Mittel mit 2 mg Wirkstoff sollen nicht länger als zwei Tage genommen werden, da eine fehlende Darmbewegung auch bedeutet, dass Giftstoffe, die auf das Konto von Durchfallerregern gehen, im Darm bleiben und nicht – im Sinne einer Selbstreinigung – ausgeschieden werden. Außerdem kann Loperamid zu heftigen Verstopfungen führen. Hält der Durchfall länger an, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Für Kinder unter 2 Jahren ist Loperamid nicht zugelassen. Unter 12-Jährige erhalten das Mittel nur auf Rezept. Grundsätzlich soll bei Durchfallerkrankungen viel getrunken werden, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen (siehe S. 19).
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Stand: 23. Dezember 2015 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2016 / S.22
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