Was tun wenn der chef kein arbeitszeugnis ausstellt

Arbeitnehmer warten zuweilen vergeblich auf Ihr Arbeitszeugnis. Inwieweit muss der Arbeitgeber es schicken? Reicht es aus, wenn er das Abschicken nachweist?

Nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses haben Arbeitnehmer normalerweise einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihnen auf Wunsch ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ausstellt. Dies ergibt sich aus § 630 BGB. Hiernach kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Doch diese Vorschrift verrät nicht, wie der Arbeitnehmer dann an sein Arbeitszeugnis kommt. So mancher ehemalige Mitarbeiter glaubt dann, dass er sein Arbeitszeugnis mit der Post erhält.

1. Fall: Arbeitnehmer muss Arbeitszeugnis abholen

So war es auch in einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer als kaufmännischer Leiter in einem Unternehmen tätig war. Nachdem er den Text des Zeugnisses mit seinem früheren Chef abgestimmt hatte, bat er um Zusendung des Arbeitszeugnisses. Doch seine Nachfrage wurde ausweichend beantwortet. Es war lediglich die Rede davon, dass das Arbeitszeugnis unterschrieben sei und es gut wäre, wenn er bei Gelegenheit noch einmal vorbeikommen und einige wichtige Daten in seinem Account einstellen würde. Nachdem ihm die Warterei zu lange wurde, verklagte er den Arbeitgeber auf Herausgabe des Zeugnisses. Dabei vertrat der Arbeitnehmer den Standpunkt, dass der Arbeitgeber ihn ausdrücklich darauf hätte hinweisen müssen, dass er das Zeugnis abholen muss.

Doch das Landesarbeitsgericht Berlin stellte mit Beschluss vom 06.02.2013 - 10 Ta 31/13klar, dass der Arbeitgeber alles Erforderliche getan hatte. Hierzu führten die Richter aus, dass der Arbeitnehmer normalerweise keinen Anspruch darauf hat, dass der Arbeitgeber dies zuschickt. Vielmehr muss er es dort abholen, weil es sich grundsätzlich um eine Holschuld handelt. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn ihm das nach Treu und Glaube gem. § 242 BG nicht zugemutet werden kann. Diese Ausnahme kommt nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 08.03.1995 – 5 AZR 848/93 etwa dann in Betracht, wenn der Betrieb weit entfernt ist von seinem Wohnort oder er damit rechnen musste, dass der Arbeitgeber ihm das Zeugnis nicht aushändigt. Hierfür gab es jedoch keine Anhaltspunkte.

2. Fall: Arbeitgeber muss Zugang des Arbeitszeugnisses beweisen

In einem anderen Sachverhalt war ein Arbeitgeber vom Arbeitsgericht Koblenz dazu verurteilt worden, dass er seinem ehemaligen Mitarbeiter ein Arbeitszeugnis ausstellt. Als dieser dem nicht nachkam, beantragte der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Hiermit war der Arbeitgeber jedoch nicht einverstanden und argumentierte damit, dass er das Zeugnis angeblich losgeschickt habe. Das Arbeitsgericht Koblenz überzeugte das jedoch nicht. Es verbleibt dabei, dass der Arbeitgeber ein Zwangsgeld zahlen muss. Hiergegen legte der Arbeitgeber eine sofortige Beschwerde ein. Doch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hielt die Entscheidung der Vorinstanz mit rechtskräftigem Beschluss vom 15.03.2011 - 10 Ta 45/11aufrecht. Die Richter begründeten das damit, dass der Arbeitgeber hier beweisen muss, dass das Arbeitszeugnis dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Das bloße Losschicken reicht nicht aus.

Konsequenzen:

Hieraus ergibt sich, dass normalerweise der Arbeitnehmer sein Arbeitszeugnis beim Arbeitgeber abholen muss. Wenn der Arbeitgeber jedoch mit dem Arbeitnehmer vereinbart hat, dass der das Arbeitszeugnis zuschickt, trägt er die Beweislast dafür, dass das Arbeitszeugnis dem Mitarbeiter auch zugegangen ist. Um dem gerecht zu werden, sollte er das Zeugnis etwa per Einschreiben mit Rückschein zuschicken. Dies begründet die tatsächliche Vermutung, dass der Zugang beim Arbeitnehmer erfolgt ist und stellt somit einen Anscheinsbeweis dar. Diese Vermutung müsste der Arbeitnehmer durch plausible Fakten entkräften. Arbeitnehmer müssen demgegenüber beweisen, dass sie die Zusendung vereinbart haben. Dann muss der Arbeitgeber den Zugang beweisen.

Demgegenüber ist nach der Rechtsprechung umstritten, ob ein Einwurf-Einschreiben als Anscheinsbeweis für den Zugang einer Willenserklärung anzusehen ist. Dies hat beispielsweise das Landgericht Potsdam mit Urteil vom 27.07.2000 - 11 S 233/99 bei der Kündigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter verneint. Eine andere Auffassung hat z.B. das Amtsgericht Erfurt mit Urteil vom 20.06.2007 - 5 C 1734/06 vertreten. In diese Richtung tendiert auch das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 14.08.2009 - 10 Sa 84/09. Allerdings kam hier streitentscheidend hinzu, dass sich die Briefträgerin u.a. erklärt hatte, dass sie den von ihr zu unterschreibenden Auslieferungsbeleg betreffend ein Einwurf-Einschreiben immer oben auf dem Stapel der gesamten Post für das betreffende Haus liegen habe. Wenn sie diesen ausgefüllt habe, arbeite sie den Stapel von oben nach unten weg, wodurch die betreffende Einschreibsendung jeweils die erste sei, die sie in die Hand bekomme. Ebenso überzeugend konnte die Zeugin die Örtlichkeiten und die Identifizierung des Briefkastens der Klägerin schildern. Dies ist eindrucksvoll dem unaufgeforderten Hinweis der Briefträgerin als Zeugin auf die Aufnahme der falschen Hausnummer in den Beweisbeschluss des Arbeitsgerichts zu entnehmen. Zudem hat sie darauf verwiesen, dass sie als Stammkraft arbeite und die Wohnanschrift der Arbeitnehmerin zu ihrem festen Zustellbezirk gehöre.

Fazit: Am besten ist, wenn der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter das Arbeitszeugnis am letzten Arbeitstag übergibt und sich den Empfang quittieren lässt. Ansonsten sollte er, wenn der Arbeitnehmer den Erhalt des Arbeitszeugnisses bestreitet, das Arbeitszeugnis erneut per Einschreiben mit Rückschein schicken. Am sichersten ist eine Zustellung der Kündigung über den Gerichtsvollzieher, weil dann auch feststeht, welches Schriftstück der Arbeitnehmer bekommen hat. Diese Form der Zustellung ist allerdings umständlich und teuer. Demgegenüber stellen Einwurfeinschreiben eher ein Risiko dar.

Wie lange darf es dauern bis ich mein Arbeitszeugnis bekomme?

Früher besaß der Arbeitnehmer 30 Jahre lang einen Rechtsanspruch darauf, dass ihm ein Arbeitszeugnis ausgestellt wird. Heute ist der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis laut GewO auf eine Frist von drei Jahren beschränkt.

Was kann ich tun wenn ich kein Arbeitszeugnis bekomme?

Angestellte sollten ihr Zeugnis so früh wie möglich und am besten schriftlich einfordern, zum Beispiel im Rahmen der Kündigung. Angestellte, die auch nach mehrmaliger Aufforderung kein Arbeitszeugnis erhalten, können ihr Zeugnis vor Gericht einklagen.

Ist mein Arbeitgeber verpflichtet mir ein Arbeitszeugnis auszustellen?

Ein Arbeitszeugnis muss nur dann erstellt werden, wenn der Arbeitnehmer es verlangt. Bei der Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses ist der Arbeitgeber jedoch immer verpflichtet, das Zeugnis zu erteilen. Der Auszubildende muss dies nicht erst verlangen.

Kann der Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis verweigern?

Der Arbeitgeber hat kein Recht, die Ausstellung eines einfachen oder qualifizierten Arbeitszeugnisses zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu verweigern. Anders sieht es dagegen bei einem Zwischenzeugnis aus. Wer als Arbeitnehmer vom Vorgesetzten ein Zwischenzeugnis einfordert, muss dafür triftige Gründe vorweisen.