Was ist der unterschied zwischen paragraph228 und 904 bgb

3 Dieses Buch erklärt Jura in leichter Sprache. Leichte Sprache ist für alle da. Damit alle eine Chance haben, Jura zu lernen. Leichte Sprache bedeutet für uns: - Kurze Sätze, und - Fremdwörter werden erklärt, und - im Text genannte Paragraphen sind mit abgedruckt und in leichter Sprache erklärt. 3

4 Die Entwicklung dieser Buchreihe hat über ein Jahr gedauert. Autor ist Dr. Jochen Zenthöfer. Er ist Jurist mit beiden Examina. Examina meint Abschlüsse. Er schreibt oft über juristische Themen für Zeitungen. Er lebt mit seiner Familie in Luxemburg. Seine Webseite ist Bitte melden Sie mögliche Fehler in diesem Buch an: Danke! Alle Paragraphen in diesem Buch sind aus dem Strafgesetzbuch, abgekürzt StGB. Manche Paragraphen sind aus anderen Gesetzen. Das ist dann immer angegeben. 4

5 Inhalt Erstes Kapitel: Was steht in diesem Buch? Zweites Kapitel: Warum gibt es ein Strafgesetzbuch? Drittes Kapitel: Definitionen und grundlegendes Prüfungs-Schema Strafrecht Viertes Kapitel: Der Objektive Tatbestand Fünftes Kapitel: Der Subjektive Tatbestand Sechstes Kapitel: Die Rechtswidrigkeit Siebtes Kapitel: Die Schuld Achtes Kapitel: Der Versuch Neuntes Kapitel: Die Tat durch Unterlassen und durch Fahrlässigkeit Zehntes Kapitel: Täterschaft und Teilnahme

6 6

7 Erstes Kapitel: Was steht in diesem Buch? Dieses Buch ist ein Buch über Jura. Als Jura bezeichnen wir das Studium des Rechts. Mit dem Studium des Rechts können wir das Recht besser verstehen. Wir lernen auch, das Recht anzuwenden. Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, sollen Sie einen Teil des Rechts verstanden haben und anwenden können. In diesem Buch geht es um einen Teil des Rechts, das man Strafrecht AT. Manche sagen auch: AT des StGB. StGB heißt: Strafgesetzbuch. Dieses Gesetzbuch regelt vor allem, was in Deutschland bei Strafe verboten ist. Übrigens: Sie brauchen kein Exemplar des StGB. Es wäre aber gut. Wir empfehlen also zwei Bücher: 7

8 1. Dieses hier. Das haben Sie schon, Gratulation! 2. Ein StGB, also den Text des Gesetzes. Was brauchen Sie? Sie brauchen dieses Buch. Dieses Buch erklärt das StGB. Dieses Buch erklärt den Gesetzestext. Sie können aber auch das echte Gesetzbuch, das StGB, gebrauchen. Das ist dann der Gesetzestext. Haben Sie kein StGB? Kaufen Sie sich eins auf Papier. Es ist billig. Im Internet finden Sie das StGB kostenlos unter Sie können dieses Buch aber auch dann weiterlesen, wenn Sie kein StGB haben. Wir waren bei den Abkürzungen stehengeblieben. StGB heißt: Strafgesetzbuch. AT heißt: Allgemeiner Teil. 8

9 Der Allgemeine Teil ist der erste Teil des Strafgesetzbuchs. Es gibt auch einen zweiten Teil im Strafgesetzbuch. Diesen zweiten Teil nennt man Besonderer Teil, abgekürzt BT. Strafgesetzbuch (StGB) besteht aus 2 Teilen Allgemeiner Teil (Paragraphen 1 79) Der Allgemeine Teil enthält die Lehre vom Verbrechen und dessen Rechtsfolgen, und allgemeine Vorschriften zur Beurteilung der Straftat. Beispiele: Versuch einer Straftat, Teilnahme an einer Straftat, Fahrlässigkeit Besonderer Teil (Paragraphen ) Der Besondere Teil enthält die einzelnen Straftatbestände, geordnet nach geschützten Rechtsinteressen (Juristen sagen: Rechtsgütern ). Beispiele: Mord, Totschlag, Brandstiftung, Diebstahl, Betrug, Erpressung 9

10 bedeutet: Paragraph. Ein Paragraph ist ein Abschnitt. Damit man weiß, welcher Paragraph gemeint ist, folgt hinter dem Zeichen immer eine Nummer. Das Strafgesetzbuch regelt das materielle Strafrecht. Dagegen regelt die Strafprozess-Ordnung (StPO) das formelle Strafrecht. Was ist der Unterschied zwischen materiellem und formellem Recht? Das materielle Recht sind alle Rechtsnormen, die die verbotenen Straftaten umfassen. Das formelle Recht regelt die gerichtliche Feststellung und Durchsetzung des materiellen Rechts. Recht-haben Recht-bekommen 10

11 Im Strafgesetzbuch finden wir materielles Strafrecht. Wir finden aber auch in anderen Gesetzen materielles Strafrecht. Zum Beispiel finden wir in der Abgaben-Ordnung materielles Strafrecht. Dort finden sich Straftat-Bestände zu Steuer-Delikten. Wenn also jemand seine Steuern nicht bezahlt, wird er nach dem Gesetzbuch Abgaben-Ordnung bestraft. Auch im Strafgesetzbuch gibt es manchmal neue Paragraphen. Wenn man etwas Neues regeln will, kommen neue Paragraphen hinzu. Die neuen Paragraphen werden nicht am Ende des Gesetzbuches angehangen. Neue Paragraphen werden dort in das Gesetzbuch eingefügt, wo sie inhaltlich passen. Inhaltlich passen sie, wo das Thema, um das es geht, besprochen wird. Ein Beispiel. Es gibt Paragraph 46 a. Dieser Paragraph lautet: 11

12 46 a [Auszug]. Hat der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt [...] so kann das Gericht die Strafe nach 49 Abs. 1 mildern oder [...] von Strafe absehen. Dieser Paragraph wurde 1994 in das Strafgesetzbuch eingefügt. Diesen Paragraph gab es vorher nicht. Dieser Paragraph soll die Wiedergutmachung von Straftaten belohnen. Es passt also gut, direkt nach Paragraph 46 zur Strafzumessung. 46 Absatz 1. Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. Das Strafgesetzbuch ändert sich also immer mal wieder. Grund: 12

13 Auch unsere Gesellschaft ändert sich: - Früher gab es keinen Täter-Opfer-Ausgleich. Heute gibt es einen Täter-Opfer-Ausgleich (aber nicht bei jeder Straftat). - Früher war Vergewaltigung in der Ehe nicht bestraft. Heute ist Vergewaltigung in der Ehe bestraft. Das Gesetzbuch von früher hat zur Gesellschaft von früher gepasst. Das Gesetzbuch von früher würde heute nicht mehr passen. Daher muss man das Gesetzbuch verbessern. Man kann auch sagen: Das Gesetzbuch wird moderner gemacht. Zum ersten Mal gab es das Strafgesetzbuch im Jahr Das sind also schon fast 150 Jahre her. Die meisten Paragraphen sind seitdem gleich geblieben. Doch manche Paragraphen wurden geändert oder neu eingefügt. Nur einer kann das Gesetzbuch ändern: Das Parlament. Also der Bundestag. 13

14 Im Jahr 1994 hatte der Bundestag beschlossen, dass es den neuen Paragraph 46 a zum Täter-Opfer-Ausgleich geben soll. Auch der Bundesrat hatte später zugestimmt. Danach hatte der Bundespräsident die Änderung verkündet. Verkündet heißt: bekannt gegeben. Danach wurde der neue Paragraph 46 a in allen Texten des StGB gedruckt. Seitdem gilt er. 14

15 Wiederholungsfragen 1. Was bedeutet die Abkürzung StGB? 2. Wie viele Teile enthält das StGB? 3. Wie kürzt man Allgemeiner Teil ab? 4. Seit wann gibt es das StGB? 5. Wo werden neue Vorschriften in das StGB eingefügt? 15

16 Antworten der Wiederholungsfragen 1. StGB bedeutet: Strafgesetzbuch. 2. Das StGB enthält zwei Teile. 3. Die Abkürzung für Allgemeiner Teil lautet: AT. 4. Das StGB gibt es seit dem Jahr Neue Vorschriften werden dort in das StGB eingefügt, wo sie inhaltlich passen. Neue Vorschriften werden nicht am Ende des StGB hinzugefügt. 16

17 17

18 18

19 Zweites Kapitel: Warum gibt es ein Strafgesetzbuch? Warum gibt es ein Strafgesetzbuch, abgekürzt: StGB? Warum ist das StGB sinnvoll? Die Aufgabe des StGB ist der Schutz bestimmter Rechtsgüter vor Angriffen Anderer. Das Zivilrecht, vor allem das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), hat auch Schutzvorschriften. Diese reichen aber nicht aus. Ohne das Strafgesetzbuch gäbe es in Deutschland Chaos und Anarchie. Bereits die Androhung von Strafen verhindert Straftaten. 19

20 Schutzvorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) Schutzvorschriften im Strafgesetzbuch (StGB) Dies sind Ansprüche einer Person gegen eine andere Person auf: - Leistung, und/oder - Schadenersatz, und/oder - Schmerzensgeld, und/oder - Unterlassung, und/oder - Beseitigung, und/oder und anderes. Zusätzlich kann eine Person, wenn es Opfer einer Straftat geworden ist, auch eine Strafverfolgung durch den Staat verlangen. Das Ergebnis einer Strafverfolgung kann Strafe sein: - Geldstrafe, oder - Gefängnisstrafe, und/oder - Nebenfolgen wie Führerschein-Entzug Ein Sachverhalt kann Folgen haben im Bürgerlichen Recht (etwas Verpflichtung, Schmerzensgeld zu zahlen) und im Strafrecht (etwa Strafe wegen Körperverletzung). 20

21 In einer Gesellschaft regelt das Recht unser Zusammenleben. Das Zusammenleben von vielen Menschen kann schwer sein. Schwer ist es, wenn Konflikte da sind. Konflikte sind Streitigkeiten. Streitigkeiten wurden früher mit Gewalt gelöst. Gewalt bedeutet, dass der Stärkere oder der Klügere gewinnt. Wenn immer der Stärkere oder der Klügere gewinnt, kann es Schwächeren schlecht gehen. Dass es Schwächeren nicht automatisch schlecht geht, dafür sorgt das Recht. Das Strafrecht kann und soll nicht sämtliches Fehlverhalten sanktionieren. Das Strafrecht soll lediglich besonders gefährliches und gemeinschädliches Fehlverhalten sanktionieren. Sanktionieren kommt vom Wort Sanktion. Sanktion ist eine Maßnahme, die jemand als Druckmittel gegen eine Person oder ein Land einsetzt, um diese zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. 21

22 Wie rechtswidriges Unrecht sein kann... schwer nicht so schwer Beispiel: Herr A tötet Frau B. Beispiel: Herr A fährt 50 km/h in einer 30 km/h-zone das nennt man: Unrecht das nennt man: Bagatell- Unrecht (kleines Unrecht) das ist eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch (StGB) das ist eine Ordnungs-Widrigkeit nach dem Ordnungs-Widrigkeiten-Gesetz OWiG es folgt eine Strafe, etwa Gefängnis es folgt ein Bußgeld 22

23 Welches Ziel hat das Strafrecht? Was ist die geltende Straf-Theorie? Die allgemein akzeptierte Straf-Theorie nennt sich Vereinigungstheorie. Sie vereinigt verschiedene Ziele des Strafens. Ziele des Strafens in Deutschland sind: - Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht, und - Prävention (Begriff ist unten erklärt), und - Resozialisierung des Täters (Begriff ist unten erklärt). Was heißt Prävention? Prävention bezeichnet Maßnahmen zur Abwendung von unerwünschten Ereignissen oder Zuständen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreffen, falls dagegen keine Maßnahmen ergriffen werden. Konkret: Das Strafgesetzbuch verhindert Kriminalität, weil mögliche Täter Angst vor Strafe haben. Wirksam ist das aber nur, wenn nach Straftat auch wirklich eine Strafe folgt. 23

24 Was heißt Resozialisierung? Ein Straftäter hat sich durch seine Tat außerhalb der Gesellschaft gestellt. Ziel der Strafe ist es, den Täter wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Das geschieht vor allem im Strafvollzug, also im Gefängnis. Im Gefängnis soll der Täter wieder fit gemacht werden für das Leben draußen. 24

25 Wiederholungsfragen 1. Was ist Aufgabe des StGB? 2. Mit welchem Gesetz wird rechtswidriges Unrecht verfolgt, das nicht so schwer ist wie eine Straftat? 3. Was sind die drei Bestandteile der Straftheorie Vereinigungstheorie? 25

26 Antworten der Wiederholungsfragen 1. Die Aufgabe des StGB ist der Schutz bestimmter Rechtsgüter vor Angriffen Anderer. 2. Ordnungs-Widrigkeiten-Gesetz, OWiG. 3. Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht und Prävention und Resozialisierung des Täters (Begriff ist unten erklärt). 26

27 27

28 28

29 Drittes Kapitel: Definitionen und grundlegendes Prüfungs-Schema Strafrecht Falls Sie Strafrecht studieren und im Strafrecht eines Tages Klausuren schreiben, müssen Sie etwas auswendig lernen. Auswendig lernen müssen Sie Definitionen und Schemata. Dies müssen Sie in Klausuren aufschreiben können. Die Definitionen aus dem Allgemeinen Teil des Strafrechts finden Sie hier. In manchen Büchern sind die Definitionen etwas anders formuliert. Wir haben Definitionen gewählt, die richtig sind und einfach zu behalten sind. In späteren Kapiteln werden die Einzelheiten dazu erklärt. Kausal ist jede Bedingung für einen Erfolg, die nicht 29

30 hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele (conditio sine qua non = Äquivalenz). [lateinisch; ausgesprochen: kondizio ssinä kwa noon] Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im Erfolg realisiert. Vorsatz ist Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. error in objecto vel persona [lateinisch; ausgesprochen: ärror in objektoo wäll pärsoona] ist eine Fehlvorstellung, die sich auf die Identität oder sonstige Eigenschaften des Tatobjekts oder der betreffenden Person bezieht. aberratio ictus [lateinisch; ausgesprochen: abärrazio 30

31 ( 16) iiiktuuuus] ist ein Sachverhalt, bei dem der Täter seinen Angriff auf ein bestimmtes Objekt lenkt, dieser Angriff jedoch fehlgeht und ein anderes Objekt trifft, dass der Täter nicht verletzten wollte. Erlaubnis- Tatbestands- Irrtum = Erlaubnis- Tatumstands- Irrtum Verbots-Irrtum ( 17) liegt vor, wenn Täter irrig Umstände annimmt, die im Falle ihres wirklichen Gegeben-Seins die Tat rechtfertigen würden. liegt vor, wenn dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Fehl- geschlagen ( 24) ist der Versuch, wenn die Handlungen ihr Ziel nicht erreicht haben und der Täter erkannt hat, dass das Ziel auch nicht mehr erreicht werden kann. Mit-Täterschaft Gemeinschaftliche Begehung einer Straftat 31

32 ( 25) durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken. Erforderlich dafür sind: gemeinsamer Tatplan und gemeinsame Tatausführung. Tat- herrschaft ( 25) bedeutet das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs. Mittelbarer Täter ( 25) ist, wer die Straftat durch einen anderen begeht. Anstifter ( 26) ist, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen Tat bestimmt hat ( bestimmen bedeutet das Hervorrufen des Tat-Entschlusses). omnimodo [lateinisch; ausgesprochen: ooomnimodoo 32

33 facturus fakturuus] ist ein zur konkreten Tat schon fest entschlossener, der nicht mehr angestiftet werden kann. Gehilfe ( 27) ist, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen Tat Hilfe leistet. Hilfeleisten ( 27) liegt in jedem Tatbeitrag, der die Haupttat ermöglicht oder erleichtert oder die vom Täter begangene Rechtsgutverletzung verstärkt hat. Angriff ( 32) ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen. Gegenwärtig ( 32) ist der Angriff, der unmittelbar bevorsteht, begonnen hat oder noch fortdauert. Rechtswidrig ist jeder Angriff, der den Bewertungsnormen 33

34 ( 32) des Rechts objektiv zuwiderläuft und nicht durch einen Erlaubnissatz gedeckt ist. Erforderlich ( 32) ist die Verteidigungs-Handlung, die zur Angriffs-Abwehr geeignet ist. Das heißt, die Verteidigungs-Handlung ist (1) grundsätzlich in der Lage ist, den Angriff entweder ganz zu beenden, oder ihm wenigstens ein Hindernis in den Weg zu stellen, und (2) die Verteidigungs-Handlung stellt das mildeste zur Verfügung stehende Gegenmittel dar. Notstandslage ist eine gegenwärtige Gefahr 34

35 ( 34) für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut, die nicht anders abgewendet werden kann als durch Einwirkung auf ebenfalls rechtlich anerkannte Interessen. Gegenwärtige Gefahr ( 34) ist ein Zustand, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden. Erforderlich ( 34) ist, was zur Abwehr der Gefahr geeignet ist und unter ex-ante-sicht eines objektiven Beobachters der sicherste Weg zur Erhaltung des gefährdeten Gutes erscheint sowie das mildeste Mittel darstellt. ex ante: [lateinisch; ausgesprochen: äkks ante (wie Tante ohne T )], meint: aus vorher, aus vorheriger Sicht. Das Grundschema einer Prüfung im Strafrecht. 35

36 1. Ist der objektive Tatbestand einer Strafnorm verwirklicht? Beispiel: Hat der Täter das Opfer totgeschlagen? Hat der Täter das Opfer betrogen? Hat der Täter das Opfer verletzt? 2. Ist der subjektive Tatbestand einer Strafnorm verwirklicht? Hat der Täter mit Wissen und Wollen, also mit Vorsatz gehandelt? 3. Ist die Tat rechtswidrig? Die Tat ist nicht rechtswidrig, wenn der Täter einen Rechtfertigungs-Grund hat. Das könnte zum Beispiel Notwehr sein. 4. Ist der Täter schuldhaft? Die Tat ist nicht schuldhaft, wenn der Täter einen Schuld- Ausschließungs-Grund hat. Das könnte eine Geisteskrankheit sein. 36

37 Schema (kurz) Für eine Strafbarkeit müssen vorliegen: Punkt 1 bis 4 sind immer zu prüfen! 1. Objektiver Tatbestand, und 2. Subjektiver Tatbestand, und 3. Rechtswidrigkeit, und 4. Schuld, und Punkt 5 bis 7 ist nur zu prüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen! 5. keine persönlichen Strafausschließungsoder Straf-Aufhebungs-Gründe, (zum Beispiel: Rücktritt beim Versuch) 6. ggf. Strafzumessung, (zum Beispiel: Regelbeispiele) 7. eventuell: Strafverfolgungs-Voraussetzungen (zum Beispiel: Strafantrag) 37

38 Schema (kurz) gilt für eine vollendete Tat; anders bei versuchten Taten siehe nun das Schema (lang), rechte Spalte! Schema (lang) Vollendete Tat Versuchte Tat Vorprüfung: Keine Tatvollendung, Strafbarkeit des Versuchs (nicht immer gegeben; steht im StGB, wenn Versuch strafbar ist) Tatbestandsmäßigkeit a) Objektiver Tatbestand Besondere Tätermerkmale, zb Amtsträger, Tathandlung, Objektiv-tatbestandliche Probleme des Besonderen Teils, Erfolgseintritt (nicht bei Tätigkeitsdelikten), a) Subjektiver Tatbestand: Tatentschluss Vorsatz bezüglich aller Merkmale, die sonst im obj. Tatbestand geprüft werden: Handlung, Tatherrschaft, Garanten-Stellung. 38

39 Kausalität, Objektive Zurechnung, Täterschaft- und Teilnahmeprobleme, Einverständnis. b) Objektiver Tatbestand: Unmittelbares Ansetzen Abgrenzung zur Vorbereitungs-Handlung b) Subjektiver Tatbestand Vorsatz, sonstige subjektive Tatbestands-Merkmale, z.b. Zueignungsabsicht beim Diebstahl. c) Objektive Bedingungen der Strafbarkeit [selten!], nur bei: Rauschtat bei 323 a, Nicht-Erweislichkeit der ehrenrührigen Tatsache in 186, Tod bei Beteiligung an Schlägerei,

40 Rechtswidrigkeit (gleiche Prüfung bei Vollendung und Versuch) nicht gegeben bei: Notwehr oder Nothilfe ( 32), Defensiv-Notstand ( 228 BGB), Aggressiv-Notstand ( 904 BGB), Rechtfertigender Notstand ( 34), Festnahme-Recht ( 127 I Strafprozess-Ordnung = StPO), Selbsthilfe ( 229 Bürgerliches Gesetzbuch = BGB), Besitzkehr ( 859 Bürgerliches Gesetzbuch = BGB), Wahrnehmung berechtigter Interessen keine Beleidigung ( 193), Einwilligung, Erziehungsrecht der Eltern. 40

41 Schuld (gleiche Prüfung bei Vollendung und Versuch) nicht gegeben bei: Schuldunfähigkeit (Problem: actio libera in causa [lateinisch; gesprochen: akzio liberaa in kausaa]), Erlaubnis-Tatbestands-Irrtum = Erlaubnis-Tatumstands- Irrtum, unvermeidbarem Verbots-Irrtum, Entschuldigungs-Gründen: Entschuldigender Notstand, 35, Notwehrexzess, 33, Speziellen Schuldmerkmalen, z.b. Böswilligkeit in 225 I (Misshandlung von Schutzbefohlenen). 41

42 Persönliche Strafausschließungs- oder Straf-Aufhebungs-Gründe (bei Vollendung:) [selten!] Begünstigung: Vortat- Beteiligung ( 257 III), Strafvereitelung: Angehörigen- Privileg ( 258). (bei Versuch:) [häufig!] Rücktritt, 24 I, II. Strafzumessung (gleiche Prüfung bei Vollendung und Versuch) Vermeidbarer Verbots-Irrtum, Regelbeispiele. Strafverfolgungs-Voraussetzung (gleiche Prüfung bei Vollendung und Versuch) Strafantrag, z.b. bei Beleidigung. [selten!] 42

43 Wiederholungsfragen 1. Wann ist eine Straftat nicht rechtswidrig? 2. Was sind die ersten vier großen Prüfungspunkte im Strafrecht (bei einem vollendeten Delikt)? 3. Was ist bei der Prüfung einer versuchten Straftat anders bei der Prüfung? 43

44 Antworten der Wiederholungsfragen 1. Die Tat ist nicht rechtswidrig, wenn der Täter einen Rechtfertigungs-Grund hat. 2. Objektiver Tatbestand, subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld. 3. Es wird zuerst der Subjektive Tatbestand geprüft, danach wird der Objektive Tatbestand geprüft. 44

45 45

46 46

47 Viertes Kapitel: Der Objektive Tatbestand Zuerst schreiben wir etwas über den Objektiven Tatbestand. Dazu ein Beispiel. Für dieses Beispiel müssen Sie Paragraph 242 kennen. Dieser Paragraph stellt den Diebstahl unter Strafe. Der Paragraph zum Diebstahl lautet: 242 Diebstahl (1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 47

48 Beispiel Die 19jährige Studentin S interessiert sich zu Semesterbeginn in ihrer Buchhandlung für zwei gute und kostengünstige Richter- Skripte und ein Lehrbuch. Da das Lehrbuch einen stolzen Preis hat (40 Euro für gerade mal 130 Seiten), steckt sie dieses unter die Jacke, um es nicht zu bezahlen. An der Kasse bezahlt sie nur die beiden Richter-Skripte. Wie hat sich S strafbar gemacht? 48

49 Lösung Hinweis: Zuerst müssen Sie einen Obersatz schreiben. Obersatz meint: Ein Satz oberhalb der Lösung. Dieser Obersatz macht klar, was Sie danach prüfen werden. Sie müssen den Obersatz mit... könnte... formulieren, weil Sie noch nicht wissen, ob die S tatsächlich strafbar ist. Dies wissen Sie erst am Ende der Prüfung, wenn Sie alle Prüfungspunkte angesprochen haben. Obersatz des Gutachtens: S könnte sich eines Diebstahls am Lehrbuch gemäß Paragraph 242 I schuldig gemacht haben, indem sie sich dieses unter die Jacke steckte und so den Kassenbereich passierte. 49

50 1. Tatbestand a) Objektiver Tatbestand Hinweis: Jetzt müssen Sie die Tatbestands-Merkmale von Paragraph 242 einzeln abarbeiten. Tatbestands-Merkmale sind Voraussetzungen. Das erste Tatbestands-Merkmal ist: eine fremde bewegliche Sache. aa) Das Lehrbuch ist für S eine fremde bewegliche Sache. Hinweis: Ganz klar vorliegende Dinge können Sie kurz feststellen. Hier nicht zu viel schreiben! Schwieriger wird es beim nächsten Tatbestands-Merkmal. 50

51 bb) S könnte das Buch weggenommen haben. Hinweis: Was ist weggenommen, also eine Wegnahme? Für Juristen ist eine Wegnahme komplizierter als für normale Menschen. Juristen haben dafür eine Definition erfunden. Diese Definition gehört zum Strafrecht Besonderer Teil. Sie müssen diese Definition auswendig lernen und hinschreiben. Wegnahme ist Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams. Hinweis: Die Definition zu Wegnahme enthält eine weitere Definition, nämlich Gewahrsam. Auch diese Definition müssen Sie auswendig lernen und hinschreiben. Gewahrsam ist die von einem Herrschaftswillen getragene tatsächliche Herrschaft über eine Sache, deren Reichweite sich nach der Verkehrsauffassung bestimmt. Hinweis: Nachdem Sie alle Definitionen hingeschrieben haben, müssen Sie nun etwas über den konkreten Fall schreiben. 51

52 Sie müssen prüfen, ob S eine Wegnahme gemacht hat. S müsste das Buch dem Inhaber der Buchhandlung weggenommen haben. Dafür muss der Inhaber der Buchhandlung das Buch am Anfang gehabt haben in seinem Gewahrsam. Danach hatte der Inhaber der Buchhandlung ursprünglich den Gewahrsam an allen Büchern. Der Inhaber der Räumlichkeit hat die Sachherrschaft über die Gegenstände in seinem Raum. Er besitzt auch den generellen Willen zu dieser Sachherrschaft. Hinweis: Jetzt kommt das Wichtigste. Sie müssen hier Gutachten-Stil schreiben! 52

53 Durch Einstecken des Lehrbuches unter ihre Jacke könnte S neuen Gewahrsam begründet haben. Nach der Verkehrsauffassung begründet diejenige in einem fremden Herrschaftsbereich neuen Gewahrsam, die Sachen in ihre Kleidung steckt (so genannte Gewahrsams-Enklave). Somit hat S neuen Gewahrsam begründet. Dies ist ohne Einverständnis des ursprünglichen Gewahrsams- Inhabers (des Buchhändlers) geschehen. Damit hat S fremden Gewahrsam gebrochen. Hinweis: Wörter wie folglich oder somit sind Gutachtenstil! Folglich liegt eine Wegnahme im Sinne von Paragraph 242 I vor. Hinweis: Jetzt prüfen Sie die anderen Prüfungspunkte. Da es hier keine Probleme gibt, müssen Sie das nur kurz ansprechen. 53

54 b) Subjektiver Tatbestand S handelte auch vorsätzlich und mit Zueignungsabsicht. 2. Rechtswidrigkeit S handelte rechtswidrig. 3. Schuld S handelte schuldhaft. Hinweis: Jetzt kommen Sie zum Ergebnis. Das ist ein Untersatz, der auf den Obersatz passen muss. Ergebnis: S hat sich eines Diebstahls am Lehrbuch nach Paragraph 242 I schuldig gemacht, indem sie sich dieses unter die Jacke steckte und so den Kassenbereich passierte. 54

55 Wichtig: Obersatz Ergebnis S könnte sich eines Diebstahls am Lehrbuch gemäß Paragraph 242 I schuldig gemacht haben, indem sie sich dieses unter die Jacke steckte und so den Kassenbereich passierte.... müssen zusammen- passen... ( Untersatz ) S hat sich eines Diebstahls am Lehrbuch nach Paragraph 242 I schuldig gemacht, indem sie sich dieses unter die Jacke steckte und so den Kassenbereich passierte. 55

56 Im Objektiven Tatbestand sind also zu klären: - Wer ist der Täter? (im Beispiel: die Studentin S) - Wer ist das Tatobjekt, also das Opfer? (im Beispiel: der Buchhändler) - Was ist die Tathandlung? (im Beispiel: S steckt das Lehrbuch unter die Jacke und verlässt den Kassenbereich der Buchhandlung) - Ist der Taterfolg eingetreten? (im Beispiel: S hat das Buch weggenommen) - Ist die Tathandlung für den Taterfolg kausal? (im Beispiel: Indem S mit dem Buch unter der Jacke den Kassenbereich der Buchhandlung verlassen hat... hat sie das Buch weggenommen) kausal meint: ein Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. 56

57 Wiederholungsfragen 1. Was macht ein Obersatz über einem Gutachten klar? 2. Was ist im Objektiven Tatbestand zu prüfen, neben Täter und Tatobjekt (Opfer)? 3. Was meint kausal (= Kausalität)? 57

58 Antworten der Wiederholungsfragen 1. Der Obersatz macht klar, was Sie danach prüfen werden. 2. Tathandlung, Taterfolg, Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg. 3. Das meint einen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. 58

59 59

60 60

61 Fünftes Kapitel: Der Subjektive Tatbestand Nach dem Objektiven Tatbestand folgt der Subjektive Tatbestand. Der Subjektive Tatbestand meint den Vorsatz. Erinnern Sie sich an die Definition? Vorsatz ist Wissen und Wollen der Tatbestands- Verwirklichung. Was meint Wissen? Wissen meint ein aktuelles Bewusstsein der Begleit-Umstände. 61

62 Weshalb ist Vorsatz so wichtig? Lesen Sie dazu Paragraph 15: 15 Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. Zur Fahrlässigkeit kommen wir später. Uns interessiert jetzt nur der Vorsatz. In dem Beispiel aus dem letzten Kapitel hatte S das Lehrbuch mit wissentlich und willentlich unter ihre Jacke gesteckt. Damit handelte sie vorsätzlich, oder, anders gesagt: S hatte Vorsatz! 62

63 Die meisten Straftat-Bestände stellen keine besonderen Anforderungen an den Vorsatz. Das sind zum Beispiel Hausfriedensbruch, Paragraph 123, oder Sachbeschädigung, Paragraph 303. In diesen Fällen genügt der sogenannte Eventual-Vorsatz. Eventual-Vorsatz wird auch genannt: bedingter Vorsatz, oder dolus eventualis [lateinisch; ausgesprochen: doluus eväntualiis]. Eventual-Vorsatz bedeutet: Der Täter will den Taterfolg eigentlich gar nicht, nimmt ihn aber in Kauf und findet sich damit ab. Da reicht für den Vorsatz aus! Der Vorsatz muss bei Begehung der Tat vorliegen. Bei manchen Straftat-Beständen reicht 63

64 Eventual-Vorsatz nicht aus. Manche Straftat-Bestände verlangen mehr, nämlich direkten Vorsatz. Dies wird auch Wissentlichkeit oder Dolus directus 2. Grades genannt. Der Täter muss den Erfolg durch wissentliches Handeln herbeiführen. Dabei ist es nicht notwendig, dass der Erfolg das angestrebte Ziel darstellt. Manche Straftat-Bestände verlangen sogar noch mehr. Dies wird auch Absicht oder Dolus directus 1. Grades genannt. Die Absicht ist der zielgerichtete Wille, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. 64

65 Übersicht über die Formen von Vorsatz und Fahrlässigkeit: Absicht = Dolus directus 1. Grades direkter Vorsatz = Wissentlichkeit = Dolus directus 2. Grades Eventual-Vorsatz = bedingter Vorsatz = dolus eventualis Der Täter nimmt den Erfolg billigend in Kauf. bewusste Fahrlässigkeit = luxuria Der Täter rechnet mit dem möglichen Eintritt des Taterfolgs, vertraut aber pflichtwidrig und vorwerfbar darauf, dass der Taterfolg nicht eintreten wird. Der Täter darf den Erfolg aber nicht billigend in Kauf nehmen, sonst liegt Eventual-Vorsatz (dolus eventualis) vor. unbewusste Fahrlässigkeit = negligentia Der Täter sieht den Taterfolg nicht voraus. Der Täter hätte den Taterfolg aber bei der im Verkehr erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt voraussehen und verhindern können. Wann ist der Vorsatz ausgeschlossen? 65

66 Der Vorsatz ist ausgeschlossen, wenn sich der Täter über die Umstände einer Tat irrt. Dann hat der Täter einen Irrtum. Ein Irrtum ist eine falsche Annahme. Hier geht es um einen Irrtum des Tatbestands. Dieser Irrtum heißt daher Tatumstands-Irrtum. Manche sagen auch: Tatbestands-Irrtum. Geregelt ist dies Fall in Paragraph 16: 16 Absatz 1 Irrtum über Tatumstände Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. Eine Bestrafung wegen einer fahrlässigen Begehung eines Delikts ist trotzdem noch möglich. Was, wenn sich der Täter nicht über die Umstände der Tat irrt, sondern glaubt, es sei erlaubt was er tut? 66

67 Das nennt man Verbots-Irrtum. Dann bleibt der Vorsatz erhalten. Der Täter bleibt strafbar. Doch es gibt eine Ausnahme. Der Täter ist straffrei, wenn der Täter seinen Irrtum nicht vermeiden konnte. Das ergibt sich aus Paragraph Verbotsirrtum Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach 49 Abs. 1 gemildert werden. 67

68 Übersicht der vier wichtigsten Irrtümer im Strafrecht und ihrer Umkehrungen 1. Tatumstands-Irrtum oder Tatbestands-Irrtum Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum objektiven Tatbestand gehört. Beispiel: T schießt aus Übung in eine Tonne, darin hatte sich das spielende Kind versteckt. Folge: Vorsatz entfällt, Paragraph 16 I 1. Fahrlässigkeit ist zu prüfen (liegt nicht automatisch vor!). 2. Verbots-Irrtum: Täter kennt die Verbotsnorm nicht oder legt sie falsch aus Beispiel: Annahme von Diebesgut als Geschenk im Glaube, die Hehlerei verbiete nur das Ankaufen. Folge: bei Vermeidbarkeit: Paragraph 17 S. 2; bei Unvermeidbarkeit: Keine Schuld, Paragraph 17 S

69 3. Erlaubnistatbestandsirrtum: Irrige Annahme eines Rechtfertigungs-Grundes Beispiel: S schlägt auf den zulaufenden A ein, obwohl der nichts tun will. Folge: Dieser Irrtum ist im StGB nicht geregelt. Nach herrschender Meinung entfällt die Schuld, Paragraph 16 I 1 analog. Fahrlässigkeit ist dann zu prüfen! 4. Erlaubnisirrtum: Täter verkennt rechtliche Grenzen eines Rechtfertigungs-Grundes Beispiel: T verfolgt Angreifer und schlägt ihn nieder, glaubt an Notwehr. Folge: wie Paragraph 17 (indirekter Verbots-Irrtum): Strafbarkeit je nach Vermeidbarkeit. 69

70 Umgekehrte Irrtümer 5. Umgekehrter Tatumstands-Irrtum oder Tatbestands-Irrtum Irrige Annahme des Vorliegens von Merkmalen des objektiven Tatbestandes. Beispiel: A schießt auf den im Bett liegenden B, ohne zu wissen, dass B zuvor gestorben war. Folge: Untauglicher Versuch. Strafbar, wenn Versuch des Delikts mit Strafe bedroht ist. 6. Umgekehrter Verbots-Irrtum Täter glaubt, gegen Verbote zu verstoßen, die es gar nicht gibt. Beispiel: T glaubt, dass der Beischlaf zwischen Verschwägerten verboten ist. Das ist aber nicht verboten. Folge: Strafloses Wahndelikt. 70

71 7. Umgekehrter Erlaubnistatbestands-Irrtum Vornahme einer Handlung in Unkenntnis, dass die Tat gerechtfertigt ist. Beispiel: A wirft Nachbar N nachts einen Stein ins Haus, der aufwacht, und nur deshalb eine defekte Gasleitung erkennt. Folge: Die ist umstritten. Die Rechtsprechung sagt: Vollendete Vorsatztat. Die herrschende Lehre (Strafrechts-Professoren) sagt: Versuch, da Erfolgsunwert durch Rechtfertigungslage kompensiert wird. 8. Umgekehrter Erlaubnisirrtum Irrtum über die rechtlichen Grenzen eines vom Täter zu eng aufgefassten Rechtfertigungs-Grundes. Beispiel: E entreißt dem Geisteskranken Dieb D seine Aktentasche in Notwehr; E glaubt aber, Notwehr sei hier unzulässig. Folge: Vollendetes Delikt. Denn der Täter ist sich der Notstandslage nicht bewusst. 71

72 Zum Problem Fehlgehen der Tat, so genannte aberratio ictus, abzugrenzen vom Irrtum über das Handlungsobjekt, dem so genannten error in persona vel objecto, siehe den Übungsfall im Kapitel zum VERSUCH. 72

73 Wiederholungsfragen 1. Was ist Vorsatz? 2. Wie nennt man diesen Vorsatz: Der Täter will den Taterfolg eigentlich gar nicht, nimmt ihn aber in Kauf und findet sich damit ab. 3. Was ist Absicht? 4. Der Vorsatz ist ausgeschlossen, wenn sich der Täter über die Umstände einer Tat irrt. Dann hat der Täter einen Irrtum. Wie heißt dieser Irrtum? 73

74 Antworten der Wiederholungsfragen 1. Vorsatz ist Wissen und Wollen der Tatbestands- Verwirklichung. 2. Eventual-Vorsatz = bedingter Vorsatz = dolus eventualis 3. Die Absicht ist der zielgerichtete Wille, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. 4. Tatumstands-Irrtum oder Tatbestands-Irrtum 74

75 75

76 76

77 Sechstes Kapitel: Die Rechtswidrigkeit Nach dem Subjektivem Tatbestand folgt die Rechtswidrigkeit. In den meisten Klausuren ist die Rechtswidrigkeit problemlos da. Dann schreiben wir nur: Der Täter handelte rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit ist nicht gegeben, wenn einer der folgenden Gründe vorliegt. Notwehr oder Nothilfe (Paragraph 32), Defensiv-Notstand (Paragraph 228 BGB), Aggressiv-Notstand (Paragraph 904 BGB), Einwilligung. Diese Rechtfertigungs-Gründe werde nun im Einzelnen erklärt. Die anderen Rechtfertigungs-Gründe sind sehr selten, wie der Rechtfertigende Notstand (Paragraph 34). Deshalb werden sie nicht erklärt. Die Definitionen zu Paragraph 34 finden Sie aber im Dritten Kapitel. 77

78 Notwehr oder Nothilfe (Paragraph 32) 32 Notwehr (1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Vorliegen müssen eine Notwehrlage und eine Notwehr- Handlung und ein subjektives Rechtfertigungs-Merkmal 1. Notwehrlage = gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff Angriff eines Menschen auf Leib, Leben, Freiheit, Eigentum oder Besitz eines Anderen. Benutzt ein Mensch ein Tier als Werkzeug, so liegt ein Angriff eines Menschen vor. Nicht notwehrfähig ist das Vorfahrtsrecht im Straßenverkehr. 78

79 Handelt es sich um die Verteidigung von Rechtsgütern Dritter, so spricht man von Nothilfe. Notwehr richtet sich immer nur gegen den Angreifer. Rechtswidrig ist der Angriff, wenn er Rechtsnormen widerspricht und nicht durch Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt ist. Gegenwärtig ist ein Angriff, der unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert. 2. Notwehr-Handlung Jede mit Verteidigungs-Willen ausgeübte Verteidigungs- Handlung, die objektiv erforderlich ist, um den Angriff abzuwehren. Erforderlich ist die Verteidigungshandlung, die geeignet ist und das mildeste Mittel darstellt. Genügt ein Warnschuss oder ein Schuss in das Bein, um den Angriff abzuwehren, darf man nicht auf den Kopf des Angreifers schießen. 79

80 Aber: Der Angegriffene darf grundsätzlich das Mittel einsetzen, dass den Angriff sicher abwehrt, auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang muss er sich nicht einlassen. 3. Subjektives Rechtfertigungs-Merkmal Erforderlich ist ein Handeln aufgrund der Situation, also Verteidigungs-Wille. 80

81 Defensiv-Notstand (Paragraph 228 Bürgerliches Gesetzbuch = BGB) und Aggressiv-Notstand (Paragraph 904 BGB) Gegen angreifende und gefährliche Sachen ist Notwehr nicht zulässig. Hier greift dann Paragraph 228 BGB ein. 228 Satz 1 BGB Notstand Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Beispiel: A wird von einem bissigen Hund angefallen. Um die Gefahr von sich abzuwenden, tritt A den Hund. Dabei bricht der linke Hinterlauf. Ist das Verhalten des A durch Paragraph 228 BGB gerechtfertigt? Ein Hund ist zwar keine Sache, auf Tiere sind jedoch die für Sachen geltenden Vorschriften anwendbar. Folglich ist Paragraph 228 BGB auch auf Tiere anwendbar. 81

82 Von dem Hund ging eine Gefahr für A aus. Die Beschädigung des Tieres war zur Abwehr der Gefahr erforderlich. Da die Gesundheit des A höher zu bewerten ist als die Unversehrtheit des Hundes, war die Verteidigungshandlung angemessen. Das Verhalten des A ist durch Paragraph 228 BGB gerechtfertigt. 82

83 Zur Abwehr von Gefahren dürfen Sachen unbeteiligter Personen in Anspruch genommen werden. Das regelt Paragraph 904 BGB. 904 Satz 1 BGB Notstand Der Eigentümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Beispiel: Einige Fußballfans greifen A mit Baseballschlägern an. Um sich zu verteidigen, nimmt A aus der Auslage eines Verkaufsstandes zwei Weinflaschen. A schlägt mit den Weinflaschen auf die Fußballfans ein. Die Weinflaschen sind zerstört. Durfte A die Flaschen ergreifen und zerstören? Ja. 83

84 Es bestand eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit des A. Der Zugriff auf die fremden Sachen (Weinflaschen) war zur Verteidigung erforderlich. Im Verhältnis zur Gesundheit ist die Zerstörung von zwei Flaschen nicht unangemessen. Der Zugriff auf die Flaschen war somit nach Paragraph 904 BGB gerechtfertigt. Der Eigentümer der Weinflaschen kann von A aber Ersatz des Schadens verlangen. 84

85 Einwilligung Ein Eingriff in die Rechtsgüter einer Person ist kein Unrecht, wenn dies mit deren Willen erfolgt. Der Verzicht auf das Rechtsgut muss zulässig sein. Das geht nur bei sogenannten Individual-Rechtsgütern wie eigenem Eigentum. Das geht nicht beim eigenen Leben, Rechtsgütern Dritter und nicht bei Rechtsgütern der Allgemeinheit (zum Beispiel: saubere Luft). Der Einwilligende muss einwilligungsfähig sein. Das ist nicht von einem bestimmten Alter abhängig. Maßgeblich ist, dass der Einwilligende geistig und sittlich reif genug ist, die Tragweite des seiner Einwilligung zu erkennen. Eine mutmaßliche Einwilligung kann es auch geben (Arzt operiert das bewusstlose Unfallopfer, da es sonst sterben würde. Es ist davon auszugehen, dass das Unfallopfer einwilligen würde). 85

86 Wiederholungsfragen 1. Nenne vier mögliche Rechtfertigungsgründe! 2. Welche drei Elemente müssen für eine Notwehr vorliegen? 3. Ein Eingriff in die Rechtsgüter einer Person ist kein Unrecht, wenn dies mit deren Willen erfolgt. Wie nennt man dies? 86

87 Antworten der Wiederholungsfragen 1. Notwehr oder Nothilfe (Paragraph 32), Defensiv-Notstand (Paragraph 228 BGB), Aggressiv-Notstand (Paragraph 904 BGB) und Einwilligung. 2. Vorliegen müssen eine Notwehrlage und eine Notwehrhandlung und ein subjektives Rechtfertigungsmerkmal. 3. Einwilligung. 87

88 88

89 Siebtes Kapitel: Die Schuld Nach der Rechtswidrigkeit folgt die Schuld. In den meisten Klausuren ist die Schuld problemlos da. Dann schreiben wir nur: Der Täter handelte schuldhaft. Schuld ist das persönliche Dafür-können für das begangene Unrecht. Denn jeder Mensch kann zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Der Täter hat das nicht getan. Dann ist er schuldig. Nur wer schuldig ist, kann bestraft werden. Das folgt aus dem Grundsatz: Keine Strafe ohne Schuld, nulla poena sine culpa [lateinisch; gesprochen: nuulla siinne kuulpa]. 89

90 Wer eine Straftat begangen hat, aber keine Schuld hat, kann nicht ins Gefängnis kommen. Möglich ist dann aber die Unterbringung in der Psychiatrie. Damit soll die Gesellschaft vor dem Täter geschützt werden. Das ist keine Strafe, sondern eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Schuld ist nicht gegeben bei: Schuld-Unfähigkeit (Problem: actio libera in causa [lateinisch; gesprochen: akzio liberaa in kausaa]), Erlaubnis-Tatbestands-Irrtum = Erlaubnis-Tatumstands- Irrtum, unvermeidbarem Verbots-Irrtum, Entschuldigungs-Gründen: Entschuldigender Notstand, Paragraph 35, Notwehr-Exzess, Paragraph 33. Schuld-Unfähigkeit 90

91 Folgende Personen sind schuld-un-fähig: - Kinder bis zum vollendeten 13. Lebensjahr (die Schuldfähigkeit beginnt also erst mit dem 14. Geburtstag). Was ist mit Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren? Sie sind schuldfähig, wenn sie nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. - Menschen mit krankhaften seelischen Störungen wie Psychosen. - Menschen mit tiefgreifenden Bewusstseins-Störungen, ab 3 Promille Blut-Alkohol-Konzentration. Eine verminderte Schuldfähigkeit besteht bereits ab 2 Promille Blut-Alkohol-Konzentration. - Menschen mit Schwachsinn, das heißt, mit angeborener Intelligenzschwäche. 91

92 - Menschen mit schweren anderen seelischen Abartigkeiten, das sind Persönlichkeitsstörungen. actio libera in causa (übersetzt: freie Handlung in der Ursache) [lateinisch; gesprochen: akzio liberaa in kausaa] Sonderproblem: Der Täter setzt sich vor Begehung der Tat vorsätzlich in einen Zustand der Schuld-un-fähigkeit. Beispiel: A möchte B töten. A betrinkt sich deshalb, bis er 3,3 Promille Blut-Alkohol-Konzentration hat. Dann tötet er, wie geplant, den B. Vor Gericht sagt A: Ich war schuldunfähig! A wird trotzdem bestraft aufgrund der actio libera in causa. Wie das begründet werden kann, ist umstritten. Manche Juristen sind für Vor-Verlagerungs-Theorie. 92

93 Die Vor-Verlagerungs-Theorie sagt: Der Beginn der Tat wird auf den Zeitpunkt des Sich-Berauschens vorverlagert. Das heißt, A beginnt mit der Tötung, wenn er beginnt, sich zu betrinken. Zu diesem Zeitpunkt ist er noch schuldfähig! Das klingt etwas komisch. Vielleicht ist es besser, zu sagen: A beginnt dann mit dem Versuch der Tötung. Oder er beginnt noch gar nicht. Es gibt noch andere Theorien. Die Gerichte haben sich für keine dieser Theorien entschieden. Für sie ist die actio libera in causa aber zulässig. Ausnahme: Bei eigenhändigen Delikten ist die actio libera in causa nicht zulässig. Ein eigenhändiges Delikt bezeichnet eine Straftat, die nur von einem Täter, der die Tathandlung selbst (eigenhändig) ausführt, begangen werden kann: Meineid oder Straßenverkehrsdelikte. 93

94 Auf eigenhändige Delikte ist die actio libera in causa nicht anwendbar, da hier gerade nicht das Setzen einer Ursache ausreicht. Vielmehr muss die jeweilige Handlung eigenhändig begangen werden. 94

95 Erlaubnis-Tatbestands-Irrtum = Erlaubnis-Tatumstands-Irrtum Irrige Annahme eines Rechtfertigungs-Grundes Beispiel: S schlägt auf den zulaufenden A ein, obwohl der nichts tun will. Folge: Dieser Irrtum ist im StGB nicht geregelt. Nach herrschender Meinung entfällt die Schuld, Paragraph 16 I 1 analog. Deshalb ist dann Fahrlässigkeit zu prüfen! 95

96 Unvermeidbarer Verbots-Irrtum Täter kennt die Verbotsnorm nicht oder legt sie falsch aus. Beispiel: Annahme von Diebesgut als Geschenk im Glaube, die Hehlerei verbiete nur das Ankaufen. Folge: bei Vermeidbarkeit: Paragraph 17 S. 2; bei Unvermeidbarkeit: Keine Schuld, Paragraph 17 S

97 Entschuldigungs-Gründe: Entschuldigender Notstand, Paragraph Absatz 1 Entschuldigender Notstand (1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen [...]. Die Handlung bleibt rechtswidrig. Die persönliche Vorwerfbarkeit (Schuld-Vorwurf) wird jedoch soweit herabgesetzt, dass es keine Bestrafung gibt. Die schützenswerten Rechtsgüter sind Leib, Leben und Fortbewegungs-Freiheit. 97

98 Der zu schützende Personenkreis ist auf den Täter, seine Angehörigen sowie ihm sonst nahestehende Personen begrenzt. Es muss die Notstands-Handlung erforderlich sein. Des Weiteren darf der Täter keine Pflicht zur Hinnahme der Gefahr haben (sog. Gefahrtragungs-Pflicht). Diese Pflicht zur Duldung liegt etwa vor, wenn der Täter die Gefahr selbst verursacht hat oder in einem besonderen Rechtsverhältnis steht (z.b. Soldaten). Schließlich ein Rettungswille gegeben sein. Der Täter muss in Kenntnis und auf Grund der Notstandslage handeln. Entschuldigungs-Gründe: 98

99 Notwehr-Exzess, Paragraph 33 Der Täter handelt in Notwehr. Er überschreitet aber das Ausmaß der Notwehr-Handlung. Was er tut, ist nicht mehr erforderlich für die Notwehr. Es liegt dann keine Notwehr mehr vor. Ist der Täter dafür strafbar? Ja. Aber: Der Täter ist schuldlos, wenn seine Überschreitung der Notwehrhandlung aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken passiert ist. Ist seine Überschreitung der Notwehr-Handlung aus Wut, Eifersucht oder Geltungssucht passiert, haftet er voll. Es kommt also auf den Grund der Überschreitung der Notwehr- Handlung an. 99

100 Wiederholungsfragen 1. Ab wann ist ein Kind schuldfähig? 2. Der Täter setzt sich vor Begehung der Tat vorsätzlich in einen Zustand der Schuld-un-fähigkeit. Wie nennt man die Rechtsfigur, nach der der Täter trotzdem bestraft werden kann? 3. S schlägt auf den zulaufenden A ein, obwohl der nichts tun will. Wie nennt man diesen Irrtum von S? 100

101 Antworten der Wiederholungsfragen 1. Die Schuldfähigkeit beginnt mit dem 14. Geburtstag. 2. Actio libera in causa. 3. Erlaubnis-Tatbestands-Irrtum = Erlaubnis-Tatumstands-Irrtum. 101

102 102

103 Achtes Kapitel: Der Versuch Zum Versuch, siehe bereits das Schema im Dritten Kapitel. Was ist ein Versuch? Der Täter will eine Straftat begehen, kommt dabei aber nicht ans Ziel. Auch wenn der Täter nicht ans Ziel kommt, hat der Täter Unrecht getan. Deshalb ist der Versuch oft strafbar, aber nicht immer: Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar. Der Versuch eines Vergehens ist nur dann strafbar, wenn das im StGB ausdrücklich steht. 23 Absätze 1 und 2 Strafbarkeit des Versuchs (1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat ( 49 I). Was ist ein Verbrechen, was ist ein Vergehen? 103

104 Da erklärt Paragraph 12: 12 Absätze 1 und 2 Verbrechen und Vergehen (1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. (2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind. 104

105 Die zeitliche Abfolge einer Straftat Entschluss Vor- Beginn Ab- Be- des Täters, be- der schluss endigung eine reitung Aus- der Tat- der Tat Straftat zu führung handlung begehen (Ver- (Voll- (Tat- such) endung) entschluss) Entschluss des Täters, eine Straftat zu begehen (Tatentschluss) Ein Tatentschluss liegt vor, wenn der Täter ein bestimmtes Ziel vor Augen hat. Außerdem muss sich der Täter entschließen, die Tat zu begehen. Ein Tatentschluss ist straflos! Der Täter muss unbedingten Handlungs-Willen haben. Hat der Täter keinen unbedingten Handlungs-Willen, liegt nur eine Tatgeneigtheit vor. Eine solche Tatgeneigtheit ist ebenfalls straflos. Vorbereitung 105

106 Auch Vorbereitungs-Handlungen sind straflos. Ausnahme: Eine Vorbereitung der Geldfälschung ist strafbar. Beginn der Ausführung (Versuch) Im Anschluss an eine Vorbereitungs-Handlung folgt das Stadium des Versuchs. Nach Paragraph 22 versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Abschluss der Tathandlung (Vollendung) Vollendung liegt vor, wenn alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht sind. Beendigung der Tat Beendet ist die Tat, wenn das Tatgeschehen seinen tatsächlichen Abschluss gefunden hat. Meist fallen Vollendung und Beendigung zeitlich zusammen. Anders ist es bei Dauerdelikten wie der Freiheitsberaubung. Dort fallen Vollendung und Beendigung zeitlich auseinander. 106

107 Prüfungsschema 1. Vorprüfung: Die Tat ist nicht vollendet, ist Versuch strafbar? Falls der Versuch strafbar ist: 2. Tatentschluss a) Tatentschluss auf alle objektiven Tatbestands-Merkmale b) Vorsatz darauf 3. Objektiver Tatbestand Nach Paragraph 22 versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Ein unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter mit der Tat bereits begonnen hat. Ansonsten: Jetzt-Geht s-los-formel: Ein Versuch ist gegeben, wenn der Täter die Schwelle zum jetzt geht es los bezüglich der Tatbestandsverwirklichung überschreitet. 4. Rechtswidrigkeit 107

108 5. Schuld 6. Strafaufhebungsgrund: Rücktritt vom Versuch Gemäß Paragraph 24 wird der Täter nicht bestraft, wenn er freiwillig von der Tat zurücktritt. a) Rücktritt ist nur möglich, wenn kein fehlgeschlagener Versuch vorliegt. Fehl- geschlagen ( 24) ist der Versuch, wenn die Handlungen ihr Ziel nicht erreicht haben und der Täter erkannt hat, dass das Ziel auch nicht mehr erreicht werden kann. 108

109 b) Rücktritt nach Paragraph 24 I Satz 1 (Abgrenzung unbeendeter / beendeter Versuch) Was der Täter tun muss, um vom Versuch zurück zutreten, bestimmt sich danach, ob ein unbeendeter oder beendeter Versuch vorliegt. Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter noch nicht alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu ihrer Vollendung notwendig ist. Beendet ist der Versuch, wenn der Täter alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges notwendig oder möglicherweise ausreichend ist. Beim unbeendeten Versuch (Paragraph 24 I Satz 1 1.Alt.) genügt es zum Rücktritt, wenn der Täter die weitere Ausführung der Tat aufgibt (d.h. einfach nicht weiterhandelt). 109

Was ist 228 BGB?

Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht.

Was ist 904 BGB?

Der Eigentümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist.

Was ist der Unterschied zwischen Defensivnotstand und Aggressivnotstand?

Der Gegensatz zum Aggressivnotstand besteht darin, dass die Gefahr beim Defensivnotstand von der Sache selbst ausgeht. Das ist beim Aggressivnotstand nicht der Fall.

Wann liegt ausschließlich ein Verteidigender Notstand nach 228 BGB vor?

Droht von einer fremden Sache eine Gefahr, darf gemäß § 228 BGB die gefährliche Sache beschädigt oder zerstört werden, wenn das zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist. Der "verteidigende Notstand" i.S.v. § 228 BGB ist ein rechtfertigender Notstand.