Warum war es notwendig die Pflegeversicherung einzuführen?

Gute Pflege kostet Geld. Um die finanzielle Belastung für die Betroffenen solidarisch abzufedern, beschloss der Bundestag im Jahr 1994, die Pflegeversicherung einzuführen. Der VdK-Landesvorsitzende Armin Lang erklärt, weshalb der Eigenanteil für Pflegebedürftige gestiegen ist und welche Systemfehler korrigiert werden müssen.

Ist die Pflegeversicherung als eigene Säule der Sozialversicherung eine Erfolgsstory?
Armin Lang: Sie hat zumindest lange Zeit vermieden, dass Pflegebedürftigkeit ein Armutsrisiko ist. Sie hat die Vielfalt der Versorgung erweitert und die Qualität der Versorgung massiv verbessert. Vor Einführung der Pflegeversicherung musste jeder zuerst einmal selbst alle Pflegeleistungen bezahlen – erst, wenn er sein Einkommen und Vermögen aufgebraucht hatte, half die Sozialhilfe. Es gab vor Einführung der Pflegeversicherung keine Qualitätsprüfung in der Pflege und es gab eine geringere Vielfalt in der Versorgung, keine Tages-, Nacht-, und Verhinderungspflege und vieles mehr.

Welche Defizite hatte die Pflegeversicherung von Anfang an?
Armin Lang: Zum einen sicherte sie demenziell Erkrankte nicht ab, also nur die körperlich Pflegebedürftigen bekamen Leistungen. Zum anderen folgte die Pflegeversicherung der Krankenversicherung, das heißt, wer bei der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war, musste auch dort seinen Pflegeversicherungsschutz absichern und wer in der privaten Krankenversicherung versichert war, musste dort sein Pflege-Risiko absichern. Dies führte zur massiv ungleichen Verteilung von Pflege- und Krankheitsrisiken bei den jeweiligen Versicherungssystemen.

Was ist daran problematisch?
Armin Lang: Wir haben eine Risikoauslese: Die Menschen mit hohem Pflegebedürftigkeitsrisiko sind in der gesetzlichen Pflegeversicherung, die Menschen mit einem geringen Pflegebedürftigkeitsrisiko sind in der privaten Pflegeversicherung. Es ist nun mal so, dass diejenigen, die besser verdienen, weniger risikoreiche Berufe sowie einen höheren Bildungsstandard haben, später weit weniger krank und pflegebedürftig werden. Dies führte von Anfang an dazu, dass die private Pflegeversicherung gar nicht wusste, was sie mit ihrem Geld anfangen sollte, während die gesetzliche Pflegeversicherung finanziell immer auf Kante genäht war.

Haben sich die Bedingungen für die Pflegeversicherung geändert?
Armin Lang: Alle Prognosen über die Entwicklung der Pflegebedürftigkeit wurden bisher übertroffen. Es sind aktuell weit mehr Menschen pflegebedürftig als je angenommen und wir haben weniger Kinder, die ältere Menschen versorgen können. Es gibt viel mehr ambulante Angebote, wodurch die Menschen immer später in stationäre Einrichtungen kommen – dann sind sie aber in der Regel sehr stark hilfebedürftig. Und das Schlimmste: Trotz dieser Entwicklung gibt es keine Strategien zur Vermeidung oder wenigstens zur Hinausschiebung von Pflegebedürftigkeit. Präventions- oder Rehabilitationsangebote werden entweder nicht gewährt oder es gibt zu wenig Angebote. Hier müssen die Länder und Landkreise etwas tun.

Inzwischen ist Pflegebedürftigkeit wieder ein Armutsrisiko.
Armin Lang: Mit Einführung der Pflegeversicherung sank die Zahl der Sozialhilfeempfänger durch Pflegebedürftigkeit rapide. Dadurch, dass die Kosten der Pflegeleistungen aber schneller anstiegen als der Zuschuss, den die Pflegeversicherung bisher zahlt, die Länder und Gemeinden immer weniger bis gar keine Investitionen mehr zahlen und in den vergangenen Jahren die Ausbildungskosten erheblich anstiegen, müssen die Pflegebedürftigen oder sogar ihre Angehörigen wieder sehr viel mehr an Zuzahlungen leisten. Folglich ist der Anteil der Sozialhilfeempfänger durch Pflegebedürftigkeit wieder dramatisch gestiegen.

Ist die finanzielle Belastung für Betroffene nicht gesetzlich ge­deckelt?
Armin Lang: Das SGB XI wurde bisher „Pflegeversicherung“ genannt, ist aber tatsächlich nie eine Versicherung gewesen. Das Risiko der Finanzierung von Pflegebedürftigkeit trägt der Versicherte selbst. Gesetzlich festgeschrieben ist immer nur der Zuschuss zu den Pflegekosten. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Investitionen, zur Finanzierung der Ausbildung und der Pflege selbst muss der Pflegebedürftige selbst bezahlen, soweit sie von den viel zu niedrigen Zuschüssen der Pflegekassen nicht abgedeckt werden. Dadurch, dass diese Kosten immer mehr steigen, wächst das Risiko der Zuzahlungen für Pflegebedürftige. Dies gilt auch für die ambulante Pflege. Hier kommen noch erhebliche Zuzahlungen für Pflege- und medizinische Hilfsmittel, für Medikamentenkosten usw. hinzu. Deswegen leiden immer mehr Menschen unter dem hohen Eigenanteil, den sie bei Pflegebedürfigkeit aufbringen müssen.

Welche Kurskorrekturen sind nötig?
Armin Lang: Wir brauchen endlich eine Versicherung, die die Risiken der Pflegebedürftigkeit auch tatsächlich absichert. Der Eigenanteil muss gesetzlich begrenzt und alle Kosten, die darüber hinausgehen, müssen von der Pflegeversicherung getragen werden. So würden die Kostenrisiken dorthin verlagert, wo sie hingehören: zur Versicherung. Damit deren Beiträge für die Versicherten nicht zu sehr steigen, ist gesetzlich verbindlich zu regeln, dass die Investitionen und die Ausbildungskosten über Steuern finanziert werden. Für die Pflegebedürftigen verbleiben dann die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Dies wäre gerecht und für viele auch tragbar.

Sollten wir die gesetzliche und private Pflegeversicherung zusammenlegen?
Armin Lang: Unbedingt sollten wir diesen Systemfehler korrigieren. Die private Pflegeversicherung hat zurzeit eine Rücklage von weit über 35 Milliarden Euro, obwohl die Mitglieder der privaten Pflegeversicherung, verglichen mit den gesetzlich Versicherten, maximal die Hälfte von deren Beitrag zahlen, alle Leistungen gleich sind und zu gleichen Bedingungen in Anspruch genommen werden. Dies hat mit einer solidarischen Versicherung nichts zu tun! Deswegen brauchen wir dringend die Zusammenlegung oder zumindest einen Risikoausgleich zwischen der gesetzlichen und der privaten Pflegeversicherung. Myriam Moser
Im aktuellen System müssen Pflegebedürftige einen großen Teil der Pflege selbst bezahlen.

Warum wurde die Pflegeversicherung notwendig?

Die Pflegeversicherung ist seit 1995 die fünfte Säule der Sozialversicherung und damit neben der Unfall-, Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung der jüngste Zweig der Sozialversicherung. Sie wurde eingeführt, um die Pflegebedürftigkeit innerhalb der Bevölkerung besser abzusichern.

Was macht die Pflegeversicherung?

Die gesetzliche Pflegeversicherung hat die Aufgabe, die pflegerische Versorgung ihrer Versicherten sicherzustellen. Die Pflegeversicherung unterstützt dort, wo die Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person eingeschränkt ist.

Was ist wichtig bei einer Pflegeversicherung?

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Pflegeversicherung ist die Anerkennung der Pflegebedürftigkeit. Die Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird auf Antrag des Versicherten vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vorgenommen.

Was passiert wenn man nicht Pflegeversichert ist?

Ohne Pflegepflichtversicherung wird es teuer Sie sehen sich mit Beitragsnachzahlungen und ggf. sogar Bußgeldzahlungen konfrontiert, die schnell in die Tausende gehen können.