Wann kommen die Stare zurück 2022

https://www.faz.net/aktuell/reise/zugvoegel-ueber-deutschland-kopf-hoch-sie-kommen-18322224.html

Foto: picture alliance / imageBROKER

Foto: picture alliance / imageBROKER

18.09.2022 · Ein Star macht noch keine Sensation – aber die Scharen von Staren im deutsch-dänischen Grenzgebiet sorgen bald wieder für Ausnahmezustand.

Etwa elf Monate im Jahr ist die Straße zwischen Süderlügum und Aventoft eine ganz normale Landstraße im äußersten Nordwesten Deutschlands. Reihum streicht der Wind durch Gräser und Schilf, rauscht durch die Baumkronen, treibt Windräder an, und wenn man genau aus dem Autofenster schaut, erkennt man sogar ein paar kleine Seen, in denen sich der grenzenlose Himmel, als wenn man ihn je einfangen könnte, spiegelt und nochmals spiegelt. Eine Bushaltestelle gibt es auch am Grellsbülldeich. An der fährt man aber schnell vorbei, denn der Linienbus hält nur sehr selten hier.

Zweimal im Jahr jedoch, zu Beginn von Frühling und Herbst und immer kurz vor Abenddämmerung, ist alles anders. Autos parken wild am Straßenrand. Reisebusse aus dem nahen Dänemark rollen heran, ein Wohnmobil wendet, ein letzter Reisebus kommt. Gehupt wird nicht, geschimpft schon gar nicht. Es ist der sanfteste Parksuchverkehr, den man sich vorstellen kann, eine deutsch-dänische Achtsamkeitsübung, bei der am Ende jeder seinen Platz am Grellsbülldeich gefunden hat.

Mächtige Massen: Bis zu einer halben Million Tiere sammeln sich zum Schwarm. Foto: Picture Alliance

Besuchermagnet: Stare ziehen auf ihrem Flug von und nach Süden die Menschen an. Foto: dpa

Die Menschen setzen sich ins Gras. Manche haben ein Sitzkissen mitgebracht gegen die Kriechkälte, andere einen Klappstuhl. Anfang Oktober kann es bereits ziemlich frisch sein hier oben in Nordfriesland. Die meisten aber haben sich so gekonnt ins braune Gestrüpp fallen lassen, dass sie die kommende Stunde regungslos verharren. Am Ende werden sie eine nestartige Kuhle hinterlassen haben, wie man es aus Kindertagen kennt, als man einfach irgendwo saß, stundenlang, im dichtesten Gras.

Es ist halb fünf. Frauen in Daunenjacken haben sich vor die Gruppen gestellt und halten Erklärtafeln hoch. Thermoskannen werden aufgeschraubt, Ferngläser scannen den Himmel. Warum machen die Menschen das? Zu sehen gibt es, außer dem Schlag der Windräder und einigen furios zerzupften Wolken, nichts. Wenn man es nicht besser wüsste, müsste man all die Leute, die sich da ins braune Gestrüpp haben fallen lassen, für ein bisschen durchgeknallt halten. Doch das sind sie nicht. Sie sind gekommen, um die „Sort Sol“ zu sehen, die „Schwarze Sonne“.

So werden in Dänemark die riesigen Starenschwärme genannt, die auf ihrem Zug zwischen den Brutgebieten in Nordeuropa und den Überwinterungsquartieren im Süden zweimal jährlich in die deutsch-dänischen Grenzmarschen einfliegen, um zu rasten. Bis zu einer halben Million Vögel kann solch ein Schwarm umfassen. Dabei bildet er ständig wechselnde Formationen – Schleifen, Schlieren, Wellen, ein tanzender Riesenorganismus, der ob seiner schieren Größe tatsächlich eine tief stehende Herbstsonne verdunkeln kann.

Die bläulich glänzenden Vögel tun dies nicht aus Gefallsucht. Für die Stare ist der Schwarm eine Überlebensstrategie. Einzeln wären sie beim Anflug auf die Schlafplätze eine leichte Beute für Raubvögel. Im Schwarm jedoch können sie ihnen ausweichen – je größer dabei die Gruppe, desto besser. Experten können anhand der verschiedenen Muster in dem Himmelsballett sogar erkennen, ob es sich dabei um einen Habicht oder einen Falken handelt. Irgendwann sind die Räuber so verwirrt von der kräftezehrenden Jagd, dass sie aufgeben. Oder sie sind gleich aus der Starenwolke gefallen, weil sie in dem dichten Schwarm nicht mehr die Flügel schlagen konnten.

Der Star hat viele Talente: Neben Hüpfen und Fliegen kann er auch Klingeltöne imitieren. Foto: Picture Alliance

Um fünf Uhr ist von den Staren noch immer nichts zu sehen. „Keine Sorge, die kommen“, sagt Bint Hansen, Ranger im Nationalpark Vadehavet, dem dänischen Teil des Weltnaturerbes Wattenmeer. „Die Stare lieben die feuchten Wiesen hier.“ Deshalb sind er und die anderen Bird Watcher in sechs Reisebussen die paar Kilometer nach Deutschland gefahren. Die „Schwarze Sonne“ ist unter unseren nördlichen Nachbarn weit populärer als bei uns. Ein junges Pärchen ist mit dem Wohnmobil sogar aus Kopenhagen angereist. Seelenruhig ist es in dem warmen Fahrzeug sitzen geblieben und tunkt Kekse in den Kaffee.

Ob die hiesigen Windräder nicht eine Gefahr für die Starenschwärme seien, wollen wir von Herrn Hansen noch wissen, bevor wir uns wieder ins Gras setzen. „Nee, glaub ich nicht“, lächelt der freundliche Mittfünfziger in seinen Schnauzbart. „Gibt ja gutes Futter hier, Würmer, Insekten, Grünfutter.“ Und viel Platz, das sei die Hauptsache, den gebe es ja immer weniger bei uns. Die Winzer in Süddeutschland dürften wissen, was er damit meint. Der „Vogel des Jahres 2018“ kann im Schwarm auch schon mal einen ganzen Weinberg leer fressen.

Augenblick, verweile doch: Starenschwärme am Himmel sind schwer vorherzusagen. Fotos: Picture Alliance

Allmählich wird es dunkel hier oben am Grellsbülldeich. Der Tag schwindet, die Nacht rückt an. Mit einem Mal wird es ganz still. Es ist jene Stille, die sich unmerklich und doch wie ein Lauffeuer verbreitet. Sie geht durch die Menschen hindurch wie ein geheimer Sinn, und wer auch immer damit angefangen hat, jetzt ganz still zu sein: Am Ende ist er es nicht allein, sondern alle.

Da ist er, der erste Schwarm. Man sieht ihn nicht, man hört ihn. Wie ein Geschwader stürzt er aus dem Himmel. Kleine Flügel schlagen tausendfach, kleine Punkte prasseln aus den Wolken, füllen sich zu Trichtern, Spiralen, pulsierenden Wolken, ziehen sich wie Sprechblasen auseinander. Obwohl die Formationen sekundenschnell wechseln, berührt dabei kein Star den anderen. Wie schaffen sie das nur? Ist das die berühmte Schwarmintelligenz?

Nein, nein, hat der freundliche Herr Hansen gesagt. „Ein Star ist auch nicht schlauer als wir.“ Jedes Tier hält einfach nur die Position gegenüber seinen unmittelbaren Nachbarn, damit das kollektive Verwirrspiel gegen Habicht oder Falke gelingt. Am Boden warten dann die nächsten Fressfeinde, Marder oder Fuchs. „Du wirst sehen, auch da haben sich die Stare was Besonderes einfallen lassen.“

Und tatsächlich: Kaum hat sich der Schwarm im Schilf niedergelassen, hopst er unter ohrenbetäubendem Lärm wieder hoch. Hopst wieder hoch und wieder. Wie ein Kind, das mit dem Bein auf den Boden stampft und sagt: Ich bleib jetzt hier. Und schon fällt der nächste Schwarm vom Himmel, wischt hin und her, überlappt sich, fällt inein­ander zu­sammen. Was für ein Schauspiel! Es sind zwar keine halbe Million, sondern nur ein paar Tausend Stare pro Schwarm, aber auch das ist himmelschreiend schön. Wir klatschen. Schrecken können wir die Tiere dadurch nicht: Ihre Schlaf- und Futterplätze liegen ein paar Hundert Meter von uns entfernt.

Auch Helgoland liegt auf der Reiseroute der Stare. Foto: Picture Alliance

Nach einer Viertelstunde ist der Tanz vorbei. Kein Star fliegt mehr auf, keiner fällt vom Himmel. Die Windräder drehen weiter, als sei nichts passiert, nur Nachtlichter haben sie jetzt gesetzt. Die Menschen packen ihre Ferngläser und Sitzkissen und begeben sich wieder in die Fahrzeuge. Ein erster Reisebus setzt den Blinker, Pkw halten, Pkw setzen zurück. Es ist der sanfteste Parkauflösungsverkehr, den man sich vorstellen kann.

Selbst der Linienbus aus Süder­lügum, der urplötzlich um die Ecke kommt, hat keine Schwierigkeiten zu passieren. Er weicht einfach auf die Gegenfahrbahn aus. Halten muss er ja auch diesmal nicht am Grellsbülldeich.

Vogel des Jahres 2018 und dennoch ist der Star gefährdet, denn naturnahe Lebensräume verschwinden. Foto: Picture Alliance

Der Starenflug

Die Stare rasten im September und Oktober sowie im März und April im deutsch-dänischen Grenzgebiet. Wann und wo, lässt sich nicht genau vorhersagen, doch die erste April- und die letzte Septemberwoche bieten erfahrungsgemäß sehr gute Chancen, die „Sort Sol“ zu sehen. Neben dem Grellsbülldeich ist die Tonderner Marsch auf dänischer Seite ein beliebtes Ziel zur Beobachtung.

Übernachtung: Nahe am Grellsbülldeich befindet sich die Ferienwohnung „Sort Sol“. Im Landhotel Tetens in Süderlügum ist man ebenfalls auf Bird Watcher eingestellt (im-tetens.de). Ausflüge lohnen sich nach Niebüll und ins dänische Tondern. Zum Nolde-Museum bei Neukirchen (nolde-stiftung.de) führen schöne Spaziergänge.

Literatur: Der dänische Fotograf Søren Solkær hat vor einigen Jahren den Band „Black Sun“ über den Starenflug veröffentlicht.

Quelle: F.A.S.

Veröffentlicht: 18.09.2022 09:05 Uhr

Wann kommen die Stare zurück 2022

Wann kommen Stare Zurück 2022?

09. Februar 2022 - Die Rückkehr aus den Winterquartieren hält weiter an. Inzwischen kann man fast die Uhr nach den Kranichen stellen. Zwar schwankt die Zahl der Meldungen stark, je nach Flugwetter und Beobachtungswetter.

Sind die Stare schon da 2022?

Die nächste „Stunde der Wintervögel“ steht ab dem 6. Januar 2022 an.

Wo sind die Stare 2022?

Dieses kaum erklärbare Spektakel kann an mehreren Stellen in ganz Dänemark beobachtet werden, aber der beliebteste Ort ist um Tønder Marsh im südlichen Jütland, nahe der Grenze zu Deutschland. Ein weiterer großartiger Ort, um sie zu beobachten ist rund um die Stadt Ribe, die älteste bestehende Stadt in Dänemark.

Wann fliegen Stare in den Süden 2022?

Zurückkehrende Zugvögel 2022 (jeweilige Erstbeobachtung).