Wer ist Gläubiger Wer ist Schuldner Jura?

Voraussetzungen der Gläubigergemeinschaft und der Schuldnergemeinschaft sowie die Abgrenzung zu Gesamtschuldverhältnissen und Teilschuldverhältnissen

Datum 20.08.2022

Rechtsgebiet Schuldrecht AT

Ø Lesezeit 6 Minuten

Foto: Silentgunman/Shutterstock.com

Ein Gemeinschaftsverhältnis ist dadurch geprägt, dass gemeinsam agiert werden muss. Gemeinschaftsverhältnisse lassen sich unterteilen in die Gläubigergemeinschaft und die Schuldnergemeinschaft.

I. Abgrenzung Teilschuldverhältnis / Gesamtschuldverhältnis / Gemeinschaftsverhältnis

1. Teilschuldverhältnis – § 420 BGB

Das Teilschuldverhältnis ist in die Teilgläubigerschaft und die Teilschuldnerschaft zu untergliedern.

a. Teilgläubiger

Wichtiges Abgrenzungskriterium zum Gesamtschuldverhältnis (hier die Gesamtgläubigerschaft) bzw. zum Gemeinschaftsverhältnis (hier die Gläubigergemeinschaft) ist zum einen die rechtliche Selbstständigkeit bzw. Unabhängigkeit der einzelnen, nebeneinanderstehenden Forderungen der Gläubiger gegenüber dem Schuldner. Zum anderen muss eine teilbare Leistung vorliegen. Daher kann jeder Gläubiger nur seinen Anteil uneingeschränkt geltend machen. Jedoch ist zu beachten, dass trotz der unabhängigen Teilforderungsrechte diese in bestimmten Punkten verbunden sein müssen. Forderungen aus einem zusammenhangslosen Sachverhalt führen nicht zur Teilgläubigerschaft.

Bsp.: Den Teilgläubigern A, B und C steht eine Forderung in Höhe von 99 € gegenüber dem Schuldner S zu. Teilgläubiger B kann unabhängig von A und C seine 33 € von S einfordern. S wird nicht von seiner Schuld befreit (§ 362 BGB), wenn er 99 € nur an B leisten würde.

b. Teilschuldner

Wichtiges Abgrenzungskriterium zum Gesamtschuldverhältnis (hier die Gesamtschuldnerschaft) bzw. zum Gemeinschaftsverhältnis (hier die Schuldnergemeinschaft) ist zum einen die rechtliche Selbstständigkeit bzw. Unabhängigkeit der einzelnen, nebeneinanderstehenden Verpflichtungen der Schuldner gegenüber dem Gläubiger. Zum anderen muss eine teilbare Leistung vorliegen. Daher kann jeder Schuldner seine Schuld begleichen und der Gläubiger nur einen entsprechenden Anteil verlangen.

Bsp.: Gläubiger G hat Forderungen in Höhe von jeweils 33 € gegen die Teilschuldner A, B, und C. Teilschuldner B kann unabhängig von A und B seine Schuld in Höhe von 33 € gegenüber G begleichen. Sollte B die volle Summe von 99 € an G leisten, so entsteht keine befreiende Wirkung für die Teilschuldner A und C.

2. Gesamtschuldverhältnis

Das Gesamtschuldverhältnis ist in die Gesamtgläubigerschaft und in die Gesamtschuldnerschaft zu unterteilen.

a. Gesamtgläubigerschaft – § 428 BGB bis § 430 BGB

Bei der Gesamtgläubigerschaft haben die Gläubiger ebenfalls selbstständige Forderungen gegenüber dem Schuldner (§ 428 S.1 BGB). Der Schuldner kann sich jedoch den Gläubiger aussuchen und die Gesamtschuld bei einem der Gesamtgläubiger begleichen. Er schuldet damit die Leistung nur einmal.

Bsp.: Die Gesamtgläubiger A, B und C haben eine Forderung in Höhe von 99 € gegenüber dem Schuldner S. S braucht nicht jeweils 33 € an A, B und C zu leisten, sondern kann 99 € an einen Gesamtgläubiger seiner Wahl zahlen (z.B. den Gesamtgläubiger B). S wird somit von seinen Verbindlichkeiten auch gegenüber den anderen Gesamtgläubigern gem. § 362 BGB befreit (also auch von den Forderungen des A und des C). Da B nun 66 € zu viel erhalten hat, steht A und C ein Ausgleichsanspruch gegenüber B zu (u.a. aus § 430 BGB).

b. Gesamtschuldnerschaft – § 421 BGB bis § 427 BGB

Bei der Gesamtschuldnerschaft ist jeder Gesamtschuldner zur gesamten Leistung verpflichtet, wobei der Gläubiger nur einmal zur Forderung der Leistung berechtigt ist.

Bsp.: Gläubiger G hat Forderungen in Höhe von jeweils 33 € gegen die Gesamtschuldner A, B und C. G könnte z. B. B dazu auffordern, die gesamten 99 € zu bezahlen. Zahlt B, so werden die Gesamtschuldner A und C ebenfalls von ihrer Leistungspflicht befreit, da G nur einmal zur Forderung der Leistung berechtigt ist. Ferner kann B wiederum Regress bei A und C nehmen. Anspruchsgrundlage sind u.a. § 426 I BGB und § 426 II BGB.

3. Das Gemeinschaftsverhältnis

Die Gemeinschaftsverhältnisse sind in die Gläubigergemeinschaft und die Schuldnergemeinschaft zu unterteilen.

a. Gemeinschaftsverhältnis auf Gläubigerseite: Gläubigergemeinschaft – § 432 BGB

Bei der Gläubigergemeinschaft können die Gläubiger nur gemeinsam die Leistung fordern. Ferner muss der Schuldner an alle gemeinschaftlich leisten, um die Erfüllung herbeizuführen.

b. Gemeinschaftsverhältnis auf Schuldnerseite: Schuldnergemeinschaft

Dieser Fall ist gesetzlich nicht geregelt und ergibt sich als Gegenstück zur Gläubigergemeinschaft. Hierbei können die Schuldner die Leistung nur gemeinschaftlich erbringen.

II. Gemeinschaftsverhältnis auf Gläubigerseite: Gläubigergemeinschaft – § 432 BGB

Die Gläubigergemeinschaft kann durch folgende Voraussetzungen entstehen:

  • Mehrere Gläubiger können eine unteilbare Leistung fordern und sind dabei keine Gesamtgläubiger.

Eine unteilbare Leistung liegt dann vor, sofern sie nur einheitlich erbracht werden kann, da sie aus tatsächlichen Gründen nicht teilbar ist.

  • Mehreren Teilhabern einer Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) steht ein Recht zu.

Einer Bruchteilsgemeinschaft stehen alle aus der Gemeinschaft erwachsenden Forderungen gemeinschaftlich zu. Somit wird automatisch eine rechtliche Unteilbarkeit begründet, obwohl die Leistung im tatsächlichen Sinne durchaus teilbar sein kann.

Zu beachten gilt, dass § 432 BGB nur das Außenverhältnis zum Schuldner regelt. Das Innenverhältnis der Bruchteilsinhaber hingegen wird durch §§ 741 ff. BGB reguliert.

  • Mehreren Teilhabern einer Gesamthandsgemeinschaft steht ein Recht zu.

Dass durch die Gesamthandsgemeinschaft auch eine Gesamtgläubigerschaft entsteht, liegt daran, dass die Gesamtgläubiger nur gemeinschaftlich über die ihnen zustehenden Forderungen oder Gegenstände verfügen können. Durch diese Bindung ergibt sich eine rechtliche Unteilbarkeit, die die Voraussetzungen des § 432 BGB erfüllt. Jedoch werden die meisten Gesamthandsgemeinschaften durch gesetzliche Bestimmungen modifiziert, die es zu beachten gilt. Auch darf der Schuldner nicht an eine einzelne Person der Gemeinschaft leisten. Er muss daher an die Gemeinschaft direkt leisten, um die Erfüllung herbeizuführen.  Die wichtigsten Arten der Gesamthandgemeinschaften sind die Erbengemeinschaft gem. §§ 2032 ff. BGB, die eheliche Gütergemeinschaft und die Personengesellschaften (GbR/OHG/KG). Jedoch findet § 432 BGB nicht auf rechtlich verselbstständige Gesamthandsgemeinschaften Anwendung, sodass die Personengesellschaften nicht in den Anwendungsbereich des § 432 BGB fallen.

Neu

Klausurtechnik

Eine Anleitung zur erfolgreichen Lösung juristischer Klausuren

In Jura ist die Frage, wo man etwas in der Klausur anbringt, mindestens so wichtig wie die abgefragten Rechtskenntnisse. Dieses Buch ist eine Anleitung, wie du juristische Klausuren erfolgreich löst.

Bei Amazon kaufen

III. Gemeinschaftsverhältnis auf Schuldnerseite: Schuldnergemeinschaft

Die Schuldnergemeinschaft ist gesetzlich nicht geregelt und ergibt sich nur aus dem Umkehrschluss zur Gläubigergemeinschaft. Diese liegt vor, sofern sich eine Forderung gegen mehrere Schuldner richtet und diese die Forderung nur gemeinschaftlich erbringen können.

Die Schuldnergemeinschaft kann durch folgende Voraussetzungen entstehen:

  • Durch eine Gesamthandschuld

Hierbei muss eine Forderung gegen die Gesamthandsschuldner bestehen, die sich gegen das Vermögen der Gesamthand richtet.

  • Durch eine gemeinschaftliche Schuld im engeren Sinne

Diese seltene Art der Schuld liegt immer dann vor, sofern keine Gesamthandgemeinschaft gegeben ist und die Schuld nur gemeinsam erbracht werden kann. Diese Form der Schuld liegt z.B. bei Opern- oder Musikkonzerten mit mehreren Künstlern vor.

Benötigst du Hilfe? In unserem Einzelunterricht gehen wir auf all deine Fragen ein und bereiten dich effektiv auf anstehende Prüfungen vor. Schreib uns bei WhatsApp und erfahre mehr.

Was ist ein Gläubiger Jura?

Im Schuldrecht wird als Gläubiger bezeichnet, wer von einem anderen, dem Schuldner, eine Leistung fordern kann (§ 241 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner wird als Schuldverhältnis bezeichnet. Zur Durchsetzung machen diese einen Anspruch geltend.

Bin ich Gläubiger oder Schuldner?

Gläubiger ist, wer aufgrund eines “Schuldverhältnisses” (z.B. Vertrag oder Schadensersatzanspruch) eine Leistung vom Schuldner verlangen kann. Einfache Merksätze: “Der Gläubiger hat dem anderen geglaubt, dass er seine Schulden begleichen wird.” “Schuldner ist der, der die Schulden hat.”

Wen bezeichnet man als Gläubiger?

Bei einem Gläubiger handelt es sich um eine Person, die gegenüber einem Schuldner über eine Leistungsanforderung verfügt. In der Geschäftswelt ist damit meist eine Geldforderung verbunden. Aber auch im Rahmen des Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfts findet diese Formulierung Anwendung.

Wer ist Schuldner im BGB?

Bei dem Schuldner (auch als Debitor bekannt) handelt es sich um eine Person, die aufgrund eines Schuldverhältnisses verpflichtet ist, einer anderen Person, dem Gläubiger, eine Leistung zu erbringen (vgl. § 241 Absatz 1 BGB).

Toplist

Neuester Beitrag

Stichworte