Wenn Fremdfirmen im Zuge von Instandhaltungs‑, Reinigungs- oder sonstigen Servicearbeiten zum Einsatz kommen oder in Produktion oder Dienstleistung einzelne Prozessschritte oder ganze Prozesse übernehmen, ergeben sich besondere Herausforderungen im Arbeitsschutz. Managementsysteme können helfen, diese zu meistern.
Mit zunehmender Konzentration auf Kerngeschäfte und dem damit verbunden Anstieg von Outsourcing-Aktivitäten wurden in vielen Unternehmen zunächst in den klassischen Dienstleistungsbereichen wie Instandhaltung, Reinigung, Werksicherung, Kantine etc. vermehrt Fremdfirmen eingesetzt. Heute übernehmen Fremdfirmen Teile der Produktion, sind fremde Mitarbeiter als Berater im Einsatz, als Bedienpersonal für gemietete Maschinen oder auch als Auszubildende im Rahmen einer Verbundausbildung. Mit den Jahren bildeten sich auch ganz neue Formen der Zusammenarbeit, wie beispielsweise die Arbeitnehmerüberlassung. Fremdfirmen kommen auf der Grundlage unterschiedlicher Vertragskonstellationen zum Einsatz, regelmäßig oder unregelmäßig, dauerhaft, gelegentlich oder auch einmalig, sind direkt beauftragt oder als Subunternehmen tätig.
Je nach Betriebsgröße und ‑branche oder auch situativ bedingt nehmen Fremdfirmen in Unternehmen mitunter einen festen Bestandteil im Tagesgeschäft ein. Unter den betriebsfremden Personen finden sich Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Solo-Selbständige, Leiharbeitnehmer, Auszubildende, entsandte Beschäftigte aus dem europäischen Ausland etc.
Unabhängig von Form und Personenkreis wird es für den Arbeitsschutz interessant, wenn Fremdfirmen
- das Betriebsgelände des Auftraggebers betreten,
- mit den eigenen Beschäftigten des Auftraggebers örtlich und zeitlich zusammentreffen oder
- Arbeiten verrichten, die selbst oder im Ergebnis für die Beschäftigten des Auftraggebers sicherheits- oder gesundheitsrelevant werden können.
Um die hierbei entstehenden besonderen Herausforderungen im Arbeitsschutz adäquat aufzufangen, hat der Gesetzgeber verschiedene Verpflichtungen in Gesetzen und Verordnungen verankert. Zu nennen sind hier zum einen das Arbeitsschutzgesetz, das mit § 8 die Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber in den Fokus nimmt und diese verpflichtet, bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten, sich gegenseitig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu unterrichten und Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen. Dies greift, sofern Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber unmittelbar betroffen sind. Etwas weiter fassen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung mit der DGUV Vorschrift 1 in § 6 den Personenkreis, indem hier auch selbstständige Einzelunternehmer in die Verpflichtungen einbezogen werden.
Spielen beim Einsatz Arbeitsmittel eine Rolle (was nahezu immer der Fall ist) oder Gefahrstoffe, sind zusätzlich die Bestimmungen in § 13 der Betriebssicherheitsverordnung beziehungsweise in § 15 der Gefahrstoffverordnung relevant. Diese enthalten ebenfalls Bestimmungen zur Zusammenarbeit verschiedener Firmen beziehungsweise Arbeitgeber. Hinsichtlich der Auswahl der betriebsfremden Personen ist auch hier der Personenkreis etwas weiter gefasst, indem – verkürzt ausgedrückt – nur solche Fremdfirmen als Auftragnehmer eingesetzt werden dürfen, die über eine entsprechende Fachkunde verfügen.1 Für die weiteren Koordinations- beziehungsweise Kooperationspflichten enthalten die zitierten Paragrafen Konkretisierungen, die relevant werden, wenn eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Arbeitgeber gefährdet werden können:
- Infomieren des Auftragnehmers beziehungsweise der Fremdfirma über Gefahrenquellen oder konkrete Gefährdungen und spezifische Verhaltensregeln des Auftraggebers bezie- hungsweise anderer relevanter Arbeitgeber gegenüber Gefährdungen, die von den Arbeiten ausgehen können
- Zusammenwirken bei der Gefährdungsbeurteilung, Abstimmen und wirksames Durchführen der Schutzmaßnahmen
- Bestellen eines Koordinators, wenn eine erhöhte Gefährdung von Beschäftigten anderer Arbeitgeber besteht und Bereitstellen der relevanten Informationen an diesen.
Weitere Koordinierungserfordernisse können sich aus der Baustellenverordnung ergeben, wenn Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber auf einer Baustelle tätig werden.
Ungeachtet der aufgeführten Kooperations- und Koordinationspflichten verbleiben bei den jeweiligen Arbeitgebern immer die Fürsorgepflichten gegenüber den eigenen Beschäftigten und die Pflicht zur ordnungsgemäßen Auswahl, Anweisung und Aufsicht. Jeder der beteiligten Arbeitgeber ist und bleibt bezogen auf seine Beschäftigten Normadressat des
Arbeitsschutzgesetzes und trägt damit die Verantwortung hinsichtlich deren sicherheits‑, gesundheits-
und menschengerechten Arbeitsbedingungen. Weisungsbefugnisse gegenüber den Fremdarbeitnehmern verbleiben bei der Fremdfirma. Dass im Falle des Erfordernisses einer Anweisung gegenüber den Beschäftigten der Fremdfirma eine entsprechend weisungsbefugte Person verfügbar ist, muss der Arbeitgeber der Fremdfirma gegebenenfalls organisatorisch sicherstellen.
Der Arbeitgeber des Einsatzbetriebes nimmt hierbei gegenüber den Beschäftigten der Fremdfirma somit keine aktive Rolle ein. Er muss sich aber vergewissern, dass die Fremdarbeitnehmer nach § 8 Arbeitsschutzgesetz Absatz 2 „angemessene Anweisungen“ hinsichtlich der Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb erhalten haben. Und: Gegenüber den Beschäftigten der Fremdfirma hat er (wie gegenüber allen betriebsfremden Personen, zum Beispiel auch gegenüber Besuchern) eine Verkehrssicherungspflicht. Das bedeutet, dass er auf die Gefahren im Betrieb hinweisen muss und erforderlichenfalls beispielsweise Verhaltensregeln aufstellt für einen sicheren Aufenthalt auf dem Betriebsgelände (vgl. Abbildung 1).
Im Falle eines Fremdfirmeneinsatzes per Überlassungsvertrag ergibt sich gegenüber den vorherigen Ausführungen aufgrund von § 11 Absatz 6 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und § 12 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz eine veränderte Grundkonstellation der Verantwortungsbereiche. Grundsätzlich sind auch hier die zuvor geschilderten Arbeitgeberpflichten gegenüber den jeweils eigenen Beschäftigten sowie die Kooperations- und Koordinationspflichten zu beachten. Zusätzlich nimmt jedoch der Arbeitgeber des Einsatzbetriebes als Entleiher auch Arbeitgeberpflichten gegenüber den „betriebsfremden“ Leiharbeitnehmern wahr in Hinblick auf deren Tätigkeiten in seinem Betrieb (vgl. Abbildung 2 auf der nächsten Seite) und hat – im deutlichen Gegensatz zur vorherigen Konstellation – die Pflicht zur Unterweisung der betriebsfremden Leiharbeitnehmer.
Sowohl beim Fremdfirmeneinsatz über Werk- oder Dienstvertrag als auch über Arbeitnehmerüberlassung sind organisatorische Fragestellungen und Schnittstellen in Hinblick auf einen arbeitsschutzgerechten Fremdfirmeneinsatz zu gestalten. Dies lässt sich insbesondere mit einem Managementsystem gezielt planen und steuern. Die gängigen Arbeitsschutzmanagementsystemkonzepte legen den Fokus daher auch oder in besonderem Maße auf die besonderen arbeitsschutzrelevanten Herausforderungen von Fremdfirmeneinsätzen. Der nationale Leitfaden Arbeitsschutzmanagement, darauf basierende Länderkonzepte wie ASCA oder OHRIS, das Gütesiegel „sicher mit system“ der Unfallversicherungsträger und andere Konzepte gehen auf Fremdfirmeneinsätze speziell ein. Das Zertifizierungssystem SCC (Safety Certificate Contractors) entstand Mitte der Neunziger sogar aus dem primären Bedarf heraus, den Einsatz von Kontraktoren in der Petrochemie sicher zu gestalten. Und auch die neue DIN ISO 45001:2018 räumt erwartungsgemäß Fremdfirmen und deren Einsätzen eine hohe Bedeutung ein.
Allen der genannten Managementsystemkonzepte liegt dabei die Forderung zugrunde, dass der Arbeitgeber (die „oberste Leitung“, der „Unternehmer“) der Verantwortung in Hinblick auf sichere, gesundheits- und menschengerechte Arbeitsbedingungen nachkommt und hierfür entsprechende Rollen, Verantwortlichkeiten und Befugnisse festlegt. Dies umschließt in besonderem Maße die Wahrnehmung der Arbeitgeberverantwortung beim Einsatz von Fremdfirmen wie oben beschrieben und die Festlegung der Zuständigkeiten und Befugnisse, um die Arbeitgeberpflichten sowie die Koordinations- und Kooperationspflichten zu realisieren. Im konkreten Fall bedeutet dies unter anderem, dass für Fremdfirmeneinsätze zuständige Ansprechpartner im Betrieb benannt sind. Nicht zu vergessen ist die Bereitstellung der Ressourcen, was auch umfassen muss, dass entsprechende (personelle, zeitliche, finanzielle) Ressourcen für sichere, gesundheits- und menschengerechte Fremdfirmeneinsätze zur Verfügung stehen.
Der neuen DIN ISO 45001:2018 wie auch den anderen oben genannten Managementsystemkonzepten liegt ein prozessorientierter Ansatz zugrunde mit der Forderung, dass Prozesse proaktiv geplant und präventiv ausgerichtet werden. Hier sind in Hinblick auf Fremdfirmeneinsätze zwei Ebenen interessant: Zum einen ist der Blick auf den konkreten Prozess „Fremdfirmen einsetzen“ zu richten. Dieser lässt sich unter Arbeitsschutzgesichtspunkten konkret modellieren (siehe Hinweis im Kasten unten).
Zum anderen kann eine Prozessvernetzung zwischen Einsatzbetrieb (Auftraggeber) und Fremdfirma (Auftragnehmer) sinnvoll oder erforderlich sein. Die Prozessvernetzung ist insbesondere dann relevant, wenn es sich um häufige oder dauerhafte Fremdfirmeneinsätze handelt (beispielsweise bei dauerhafter Übernahme eines Prozesses im Einsatzbetrieb wie Lagern und Kommissionieren, Transportieren etc.). Hier kann die Erstellung gemeinsamer übergeordneter Prozesslandkarten auch unter Arbeitsschutzgesichtspunkten angeraten sein, um alle Schnittstellen im Blick zu behalten. Ebenso kann eine weitergehende Prozessvernetzung gefordert sein, wenn der Einsatz mit besonderen Gefährdungen verbunden ist (bekanntes Beispiel auf Baustellen ist der SiGePlan).
Vorteile eines Managementsystems liegen nicht nur in der gezielten Planung und Steuerung, sondern auch in der Nachweisführung über dokumentierte Vorgaben und Aufzeichnungen, was letztlich die Rechtssicherheit bei Fremdfirmeneinsätzen erhöht. Von Vertragsvorgaben angefangen, über dokumentierte Gefährdungsbeurteilung für den Einsatz und Regeln für Fremdfirmen bis hin zur schriftlich fixierten Freigabe nach Fremdfirmeneinsätzen ist ein lückenloser Nachweis möglich.
Mit der Einrichtung eines PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act – vierstufiger Regelkreis eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses) lässt sich schließlich eine kontinuierliche Verbesserung auch beim Einsatz von Fremdfirmen erzielen, was nicht nur der Verringerung von Unfällen und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen dient, sondern in der Regel qualitätssichernde Aspekte mit sich bringt. Viele Unternehmen knüpfen aus diesem Grund an die Bewertung von Lieferanten und Auftragnehmern mittlerweile die Frage, ob deren vergangene Einsätze den Arbeitsschutzanforderungen entsprachen. In einzelnen Bereichen werden zudem heute schon Arbeitsschutz(management)systeme als Voraussetzung vor der Erteilung von Aufträgen gefordert. In wie weit hier die neue Norm DIN ISO 45001:2018 einen weiteren Vorschub leisten wird, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Literatur
Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG) vom 7. August 1996
(BGBl. I S. 1246), zuletzt geändert durch Artikel 427 der Verordnung vom 31. August 2015
(BGBl. I S. 1474)
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV) vom 3. Februar 2015 (BGBl. I S. 49), zuletzt geändert durch Artikel 5 Absatz 7 der Verordnung vom 18. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3584)
Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung — GefStoffV) vom
26. November 2010 (BGBl. I S. 1643, 1644), zuletzt geändert durch Artikel 148 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626)
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (Baustellenverordnung – BaustellV) vom 10. Juni 1998 (BGBl. I S. 1283), zuletzt geändert durch Artikel 27 des Gesetzes vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966)
Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG) vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 258)
DGUV Vorschrift 1 – Grundsätze der Prävention, Stand November 2013
Hessisches Ministerium für Soziales und Integration (Hrsg.): Leitfaden für Arbeitsschutzmanagement. Wiesbaden, 4. Auflage 2015
Bayrisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (Hrsg.): Das OHRIS-Gesamtkonzept. München, 3. Auflage 2018
DGMK Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft für Erdöl, Erdgas und Kohle e.V.: Normatives SCC-Regelwerk Version 2011
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.:): Leitfaden für Arbeitsschutzmanagementsysteme. Dortmund, 2002
DIN ISO 45001:2018–06: Managementsysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung (ISO 45001:2018)
1 In der Gefahrstoffverordnung § 15 Absatz 1 Satz 1 ist zusätzlich zur Fachkunde noch das Vorliegen entsprechender Erfahrungen gefordert.
Autorin: Dipl.-Ing. (TU) Michèle Wachkamp
Regierungspräsidium Gießen,
Fachzentrum für systemischen Arbeitsschutz und Arbeitsgestaltung
Den modellierten Prozess „Fremdfirmen einsetzen“ mit den aus Arbeitsschutzsicht relevanten Inhalten finden Sie unter
//hier.pro/xniE6
Sicherheitsingenieur 01|2019