Was ist der Unterschied zwischen Dienstpflicht und Wehrpflicht?

Die Wehrpflicht wieder zu aktivieren, dafür sieht die Wehrbeauftrage des Bundestags Eva Högl im Moment keine Mehrheit unter den Abgeordneten. In der gegenwärtigen Situation helfe eine solche Wehrpflicht auch nicht, sagt die SPD-Politikerin im BR24-Interview. Zustimmung kommt vom FDP-Verteidigungsexperten Marcus Faber: Die Bundeswehr habe weder die Unterbringungsmöglichkeiten, noch den Bedarf an vielen Wehrpflichtigen.

Wehrbeauftragte: Bundeswehr muss für gute Leute attraktiv sein

Auch CSU-Generalsekretär Stephan Mayer stellt sich gegen die Wehrpflicht. Vielmehr müsse man die Bundeswehr in ihrer jetzigen Ausrichtung stärken und besser ausstatten, so Mayer. Die Wehrbeauftrage Högl betont, die Bundeswehr brauche exzellentes, gut ausgebildetes Personal. Sie sieht die Arbeit derzeit darin, die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen. Die Bundeswehr "muss kreativ für sich werben und für gute Leute attraktiv sein", sagt die SPD-Politikerin.

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Die AfD hingegen fordert, die Wehrpflicht sofort wieder zu reaktivieren. Die Bundesregierung könne sich nicht mehr "auf Freiwilligkeit und Werbekampagnen verlassen", kritisiert der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen. Dafür müssten andere Strukturen und die Wehrerfassung wieder aufgebaut werden. Lucassen stellt klar, dass die ersten einsatzbereiten Soldaten "trotzdem erst in einigen Jahren auf den Kasernenhöfen stehen" würden.

Allgemeine Dienstpflicht wieder im Gespräch

CDU und Freie Wähler bringen derweil die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht wieder ins Spiel. Junge Menschen – Frauen und Männer – würden, so die Idee, für eine gewisse Zeit einen Dienst entweder in der Bundeswehr absolvieren oder auch bei der Feuerwehr, in einer Kita oder einer Pflegeeinrichtung. Der stellvertretende CDU-Chef Carsten Linnemann plädiert für ein solches "Gesellschaftsjahr". So könnten junge Menschen soziale Kompetenzen schulen und lernen, "dass es nicht nur Rechte in einem Staat gibt, sondern auch Pflichten", erklärt Linnemann: "Das würde unserer Gesellschaft richtig guttun."

Freie Wähler: Dienstpflicht biete Chance im Gesundheitswesen

Die Freien Wähler im bayerischen Landtag plädieren für einen zwölfmonatigen Dienst, der wahlweise bei der Bundeswehr, Rettungsdiensten aber auch beim Umweltschutz geleistet werden kann. Neben der Stärkung der Verteidigungsfähigkeit sieht Bernhard Pohl, verteidigungspolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag, auch die Chance, mit dem Dienstjahr den Defiziten im Gesundheitswesen entgegenzuwirken. "Wir brauchen da wie dort mehr Menschen, die sich um diese Existenzfragen unseres Landes kümmern", sagt Pohl. Ein verpflichtendes Jahr könne dazu einen Beitrag leisten.

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FDP nennt Dienstpflichtdebatte abwegig

FDP und Grüne lehnen die Idee ab. Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sara Nanni, findet es nicht gut, "wenn häufig ältere Leute dieses Thema miteinbringen und sagen, die junge Generation muss jetzt ein Ehrenjahr machen." Das sei ungerecht, zumal die junge Generation mit vielen Herausforderungen wie dem Klimawandel konfrontiert sei. Auch jetzt leisteten viele junge Menschen Freiwilligendienste, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete. Es gebe im Gegenteil sogar zu wenig Plätze beim Bundesfreiwilligendienst. Der FDP-Politiker Faber hält die aktuelle Debatte um die Dienstpflicht für abwegig, damit verbessere man die aktuelle Sicherheitslage in Deutschland nicht.

Idee zu einer allgemeinen Dienstpflicht schon 2018

Die Idee eines Gesellschaftsjahres oder einer allgemeinen Dienstpflicht hatte ursprünglich Annegret Kramp-Karrenbauer 2018 ins Spiel gebracht, damals noch als Generalsekretärin der CDU. Für so eine Pflicht gibt es hohe verfassungsrechtliche Hürden, da sie ein großer Eingriff in das Leben junger Menschen ist.

Die Wehrpflicht hatte der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU, Mitte 2011 ausgesetzt. Im Jahr 2010 gab es noch knapp 50.000 Grundwehrdienstleistende. Im Vergleich dazu machen im Moment rund 9.100 Menschen einen freiwilligen Wehrdienst. Dazu kommen die Menschen, die sich als Berufssoldaten oder Zeitsoldaten verpflichten. Insgesamt hat die Bundeswehr im Moment rund 184.000 Soldatinnen und Soldaten.

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Inhalt

Der Nationalrat hat die Beratung der GSoA-Initiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» begonnen. Die Rednerliste ist lang, fast 2 Sessionstage sind dafür vorgesehen. 2 Gegenvorschläge verlangen die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht. Die Diskussion soll am Mittwoch weitergeführt werden.

Ob die Aufhebung der Wehrpflicht wirklich ein so wichtiges Thema ist, fragt Evi Allemann (SP/BE) zu Beginn der Debatte. Sie spricht sich dafür aus, die Initiative der GSoA anzunehmen. Die Wehrpflicht sei in der heutigen Zeit mit der aktuellen Bedrohungslage nicht mehr zu rechtfertigen. Sie sei Zeit- und Geldverschwendung.

Anders sieht dies Alec von Graffenried (Grüne/BE). Er will die Wehrpflicht nicht abschaffen, aber umbauen und modernisieren. Konkret stellt er einen Antrag auf einen Gegenvorschlag zur GSoA-Initiative: Die Wehrpflicht soll durch eine allgemeine Dienstpflicht ersetzt werden. Das heisst, dass die Dienstpflichtigen zwischen dem Militär- und einem zivilen Ersatzdienst wählen sollen. Beide Dienste sollen gleich lange dauern.

Sicherheit durch weniger Waffen zuhause

Seine Parteikollegin Franziska Teuscher (Grüne/BE) will von dem Gegenvorschlag nichts wissen. Die Initiative jedoch will sie unterstützen. Es brauche keine bewaffnete Armee, um Aufbau- und Räumungsarbeit zu leisten, betont sie. «Wenn das WEF für die Begründung für die Armee herhalten muss, muss man sich ernsthaft fragen, was die Wehrpflicht noch soll.» Zudem werde die Armee sicherer, wenn weniger Waffen zuhause herumliegen.

Die Grünliberalen wollen von Graffenrieds Gegenvorschlag unterstützen, wie Beat Flach (GLP/AG) betont. Er wünsche sich eine Welt ohne Krieg und ohne Armeen. Leider werde aber auch in Zukunft immer wieder damit zu rechnen sein, dass Konflikte mit Gewalt ausgetragen würden. Die Armee der Zukunft solle kleiner und agiler sein.

Geri Müller (Grüne/AG) ist sich nicht sicher, ob die GSoA die richtige Absenderin dieser Initiative ist. Denn die Initiative wolle die Armee ja nicht abschaffen. «Müssen wir die Leute dazu zwingen, etwas Sinnvolles zu tun?», fragt Müller im Parlament. Die Initiative könnte eine neue Diskussion auslösen. Die Armee müsste sich fragen, wie sie sich attraktiver mache für junge Leute. «Die Jungen sollen auch ausbildnerisch profitieren können. Die Initiative ist eine Chance.»

Unterstützung bei nationalen und internationalen Problemen

Gegen die Initiative votiert Ursula Haller Vannini (BDP/BE). Sie spricht von der aktuellen Bedrohungslage durch die Geschehnisse in Libyen, Syrien oder Israel. «Alle Länder nur wenige Flugstunden entfernt.» Dies müsse aufhorchen lassen. Die Armee müsse auf den internationalen Terrorismus oder den nationalen Extremismus die richtigen Antworten haben.

Legende: Wofür üben die Soldaten? Der Nationalrat nutzt die Gelegenheit, über mögliche Einsatzzwecke der Armee zu diskutieren. keystone

Die Armee soll die zivilen Behörden in Krisen und bei Naturkatastrophen unterstützen. Die Bevölkerung wünsche sich eine Armee, die dank Spezialisierung vielfältig verfügbar sei und technisch auf dem neusten Stand. «Im Namen der BDP bitte ich Sie, die Initiative abzulehnen.»

Soziale Kompetenzen, Respekt und Toleranz

Auch der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Fehr spricht sich vehement gegen die GSoA-Initiative aus. Das Schweizer Milizsystem verlange, dass jeder, der dazu in der Lage sei, im Militär seinen Beitrag leiste. Es gehe darum, die Bevölkerung, die Freiheit, die Unabhängigkeit, die Volksrechte und die sozialen Errungenschaften zu schützen und notfalls zu verteidigen – auch mit dem Einsatz des eigenen Lebens.

Mit Freiwilligenarbeit komme man nicht weiter, wenn der Einsatz des Lebens gefordert sei, so Fehr. Auch eine Berufsarmee komme nicht infrage: Diese sei unbezahlbar, gefährlich und könne zu einem Staat im Staate werden.

Gleicher Meinung ist sein Partei-Kollege Toni Bortoluzzi, ebenfalls Kanton Zürich:«Die Militärpflicht ist Teil unseres sicherheitspolitischen Konzepts.» Junge Männer würden in der Rekrutenschule soziale Kompetenzen lernen. Dies schaffe gegenseitigen Respekt und Toleranz. «Es ist schade, dass nur noch 65 Prozent der jungen Männer diese Lebensschule besuchen.»

Ziel ist eine kleine Freiwilligenmiliz

Mit der Volksinitiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» will die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) die Militärdienstpflicht für Schweizer Bürger abschaffen. Das Ziel der GSoA ist es, die gegenwärtige Armee durch eine kleinere Freiwilligenmiliz zu ersetzen. Auch die Wehrpflicht-Ersatzabgabe soll entfallen.

Der Bundesrat ist gegen die Volksinitiative. Er befürchtet, dass die Sicherheit der Schweiz gefährdet wäre, weil sich nicht genügend Frauen und Männer freiwillig melden. Ausserdem könnte eine Wiedereinführung der Militärdienstpflicht nur durch eine Verfassungsänderung erwirkt werden – und dies würde bei einer Bedrohung zu lange dauern.

Eine Kommissionsminderheit beantragt als zweiten direkten Gegenvorschlag, einen Bürgerdienst einzuführen, der für Schweizer obligatorisch ist. Der Bürgerdienst soll in der Armee, bei der Polizei, im Grenzwachtkorps oder bei der Feuerwehr, aber auch als Zivildienst geleistet werden können. Ausser zu Armee, Polizei oder Grenzwachtkorps sollen auch Ausländerinnen und Ausländer zugelassen sein. Der Nationalrat greift das Thema am Mittwoch wieder auf.

Das will die Initiative

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Esgeht nicht um die Abschaffung der Armee selber, sondern um die Aufhebung der Militärdienstpflicht: Militär- und Zivildienst sollen freiwillig sein, und das für Männer wie für Frauen.

Das Milizsystem würde beibehalten, die Schaffung einer Berufsarmee ist nicht vorgesehen.

Auslaufmodell

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In Europa kennen nur noch wenige Staaten die Wehrpflicht. In Mitteleuropa bilden die Schweiz und Österreich derzeit eine «Wehrpflicht-Insel».

Was versteht man unter Dienstpflicht?

Als zivile Dienstpflicht, auch als allgemeine Dienstpflicht oder öffentliche Dienstleistungspflicht bezeichnet, wird die Verpflichtung von Zivilpersonen bezeichnet, für den Staat oder im Auftrag des Staates bestimmte Arbeiten zu leisten, die nicht unter das Verbot der Zwangsarbeit fallen und nicht beim Militär im ...

Für wen gilt die Dienstpflicht?

Mit der allgemeinen Dienstpflicht ist ein Jahr gemeint, in dem junge Menschen einer gemeinnützigen Tätigkeit nachgehen, analog zur früheren Wehrpflicht beziehungsweise dem Zivildienst. Abzuleisten wäre das Pflichtjahr nach der Schulzeit.

Was macht die Wehrpflicht?

Die Wehrpflicht prägt den Charakter der Streitkräfte. Die Wehrpflicht bindet den jungen Bürger an seinen Staat, macht die Landesverteidigung zur Angelegenheit ihrer Staatsbürger, stellt sicher, dass zwischen den Streitkräften und deren zivilem Umfeld ein ständiger Personalaustausch stattfindet.

Was statt Wehrpflicht?

Mit der Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland zum 1. Juli 2011 wurde ebenso der Zivildienst ausgesetzt. Für Freiwillige wurde als „Nachfolger“ des Zivildienstes zum 1. Juli 2011 der Bundesfreiwilligendienst ins Leben gerufen.

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