Innerhalb weniger Stunden wird an diesem Tag zweimal die erste deutsche Republik ausgerufen: Zunächst von Philipp Scheidemann (SPD, 1865 – 1939) und anschließend von Karl Liebknecht (Spartakusbund, 1871 – 1919).
Der letzte deutsche Kaiser: Wilhelm II.
Es war ein aufregender Tag. In Berlin und in anderen Städten versammelten sich die Menschen. Sie hatten vom Rücktritt Kaiser Wilhelms II. (1859 – 1941) gehört. Reichskanzler Prinz Max von Baden (1867 – 1929) hatte ihn eigenmächtig verkündet. Wilhelm II. war vorher nicht gefragt worden – er stimmte allerdings wenig später zu und damit endete das Kaisertum in Deutschland. Als Reaktion auf diese Entwicklung - hieß es - würden die Kommunisten die Republik ausrufen.
Doppelte Ausrufung der Republik
Philipp Scheidemann ruft die Republik aus
Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Philipp Scheidemann kam der KPD jedoch zuvor. Er rief er am Mittag des 9. November 1918 von einem Balkon des Berliner Reichstags die Republik aus – auch wenn nicht alle SPD-Funktionäre auf seiner Seite standen. "Das Volk habe auf ganzer Linie gesiegt", verkündete er. Die Menschen waren begeistert und jubelten ihm zu. Aber die so eben ausgerufene Republik hatte von ihrem ersten Tag an mit einer schweren Hypothek zu kämpfen. Um 16.00 Uhr versammelte sich eine genau so große Menschenmenge am Berliner Stadtschloss. Dort rief Karl Liebknecht, ebenfalls die Republik aus. Seine Rede gipfelte in der Proklamation der "freien, sozialistischen Republik Deutschland", die "die Herrschaft der Hohenzollern" beenden werde. Anstelle der verhassten Kaiserstandarte solle fortan "die rote Fahne der freien Republik Deutschland" wehen.
Karl Liebknecht spricht zu den Massen
Die junge Republik steckte in einem Dilemma, denn die Gesellschaft war gespalten. Für die einen war die russische Revolution vom November 1917 leuchtendes Vorbild einer sozialistischen Gesellschaft der Gleichen. Für die anderen war eben diese Vorstellung ein unheilvolles Vorzeichen des Untergangs. Beide Gruppierungen standen sich unversöhnlich gegenüber. Linke wie rechte Parteien stellten bewaffnete Verbände auf, die sich offene Straßenkämpfe lieferten. Der Versuch nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg eine neue Zeit einzuläuten, ging gründlich daneben. Für die von der Front zurückkehrenden Soldaten bot sich ein Bild des Chaos, im dem sie sich nicht zurechtfanden. Viele von ihnen schlugen sich auf die Seite der rechtsextremen Freikorps.
Weihnachtsunruhen 1918
Reichskanzler und späterer Reichspräsident: Friedrich Ebert
Zum Jahreswechsel hatten die Unruhen ein Ausmaß erreicht, die den Reichskanzler handeln ließen. Friedrich Ebert (1871 – 1925) veranlasste, die so genannten "Weihnachtsunruhen" mit militärischen Mitteln niederschlagen zu lassen. Am 29. Dezember 1918 zerbrach deswegen die Übergangsregierung ("Rat der Volksbeauftragten"). Die Situation eskalierte. Ebert beauftragte Gustav Noske (1868 – 1946) mit dem Schutz der Regierungsresidenz. Als Minister war er für das Militär zuständig. Sein hartes Durchgreifen sorgte jedoch nicht für Ruhe im Land, ganz im Gegenteil: Zu Beginn des Jahres 1919 weiteten sich die Unruhen aus.
Spartakusaufstand, MG-Stellung Ullstein
Bürgerkriegsähnliche Zustände rief der "Spartakusaufstand" hervor. Er entzündete sich an der Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (1863 – 1925). Eichhorn gehörte der zum Jahreswechsel gegründeten KPD an, die aus Liebknechts "Spartakusbund" entstanden war. Eichhorns Weigerung von seinem Posten zurückzutreten, löste den Aufstand aus und sorgte vom 8. bis zum 10. Januar 1919 in Berlin für Auffuhr.
Karl Liebknechts Beisetzung
Die Reichswehr wurde verstärkt mit rechtsextremen Freikorps, die Hetzjagden auf Anhänger der Kommunistischen Partei machten. Nach der Niederschlagung des "Spartakusaufstands“ führten die Freikorps "Säuberungen" in der Stadt durch. Im Zuge dieser illegalen Aktionen wurden am 15. Januar die beiden Ikonen der KPD Rosa Luxemburg (geb. 1871) und Karl Liebknecht ermordet und in den Landwehrkanal geworfen.
Weimarer Republik
Die deutsche Sozialistin Rosa Luxemburg
Einerseits verlegte die Regierung ihren Amtssitz in benachbarte Weimar wegen der Unruhen. Andererseits sollte die Wahl dieser Stadt auch ein Signal für die neue demokratische Republik sein. In Weimar hatten Friedrich Schiller (1759 – 1805), Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) oder Johann Gottfried von Herder (1744 – 1803) gewirkt und gelebt. Mit dem alten kaiserlichen Staat sollte die neue Republik nichts mehr gemein haben.
Am 19. Januar 1919 trat die Weimarer Nationalversammlung zusammen. Ihre Aufgabe war es eine demokratische Verfassung zu erarbeiten. Nach einem halben Jahr intensiver Debatten wurde die neue Verfassung am 31. Juli angenommen und wenig später in Kraft gesetzt. Nun war Deutschland eine parlamentarische Demokratie. Aber die Verfassung hatte viele Schwachstellen. Vor allem die starke Stellung des Reichspräsidenten, der mit Hilfe so genannter "Notverordnungen" ohne und sogar gegen das Parlament regieren konnte, sollte sich als schwere Belastung erweisen.
Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Sylvia Kuckelkorn