Es könnte so schön sein: Du hast ein Leben lang gearbeitet und in die Rentenkasse sowie die private Altersvorsorge eingezahlt – und im Alter genießt Du einfach das Geld, das nun in umgekehrte Richtung fließt. Doch weit gefehlt: Auch Renten sind steuerpflichtig, und zwar als sonstige Einkünfte. Das ist vielen Ruheständlern nicht bewusst.
Wie viele Rentner müssen Steuern zahlen?
Nach den neuesten Zahlen des Bundesamtes für Statistik, die für das Steuerjahr 2017 vorliegen, müssen 6,8 Millionen von den 21,4 Millionen Empfängern einer gesetzlichen, betrieblichen oder privaten Rente in Deutschland Steuern zahlen. Bei knapp 90 Prozent der steuerbelasteten Rentenbezieher ist der Grund: Sie beziehen neben ihrer gesetzlichen Rente noch weitere steuerpflichtige Einkünfte.
Dennoch kann es passieren, dass auch ein älterer Mensch, der nur seine gesetzliche Rente hat, aufgrund einer Rentenerhöhung (sogenannte Rentenanpassung) in die Steuerpflicht hineinrutscht. Letztlich muss jeder Rentenbezieher selbst überprüfen, ob er eine Steuererklärung abgeben muss und vielleicht sogar Steuern zahlen muss.
Am 1. Juli 2022 stieg die Rente in Westdeutschland um 5,35 Prozent, im Osten sogar um 6,12 Prozent. Dadurch rutschen vermutlich rund 106.000 Rentner neu in die Steuerpflicht, schätzt das Bundesfinanzministerium.
Hermann-Josef Tenhagen
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Wie funktioniert die nachgelagerte Besteuerung der Rente?
2005 hat der Fiskus mit dem Alterseinkünftegesetz die nachgelagerte Besteuerung für Renten eingeführt. Bis 2040 gibt es eine Übergangsphase, in der nur ein Teil der Rente zu versteuern ist. Im Gegenzug ist ein immer höherer Anteil der geleisteten Rentenversicherungsbeiträge als Vorsorgeaufwand steuerlich abzugsfähig. Dieser Prozentsatz des Besteuerungsanteils steigt jedes Jahr für Neurentner.
Wer schon Rentner ist, für den bleibt der steuerfreie Teil in Euro konstant. Mit jeder Rentenerhöhung nimmt aber die Höhe der steuerpflichtigen Rente zu. Auch deshalb wächst die Zahl der steuerpflichtigen Rentner.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Doppelbesteuerung der Renten hat die Ampel-Koalition eine Überarbeitung der Übergangsphase angekündigt. Wie ein Gesetzesentwurf Ende Juli bestätigte, sollen Altersvorsorgeaufwendungen schon 2023 statt 2025 zu 100 Prozent absetzbar sein. Gleichzeitig sollen die Renten nicht 2040, sondern erst 2060 voll versteuert werden. Dazu findet sich aber nichts in besagtem Gesetzesentwurf.
Ab welcher Höhe ist die gesetzliche Rente zu versteuern?
Die Wahrscheinlichkeit, dass Rentner steuerpflichtige Einkünfte beziehen, steigt kontinuierlich. Die Standardrente, auch Eckrente genannt, lag für das Jahr 2022 nach der Erhöhung am 1. Juli bei circa 19.451 Euro.
Ein lediger Rentner, der 2022 erstmals Rente bezieht, keine weiteren Einkünfte hat und in die gesetzliche Krankenversicherung gezahlt hat, muss bei einer Brutto-Jahresrente von mehr als 14.768 Euro davon ausgehen, dass er darauf Steuern zu zahlen hat. Diese Zahlen hat der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine ermittelt. Das bedeutet, dass der Rentner in diesem Fall eine Steuererklärung abgeben muss. Erst mit dem Steuerbescheid des Finanzamts ist dann klar, ob und in welcher Höhe Steuern zu zahlen sind.
In der folgenden Tabelle kannst Du anhand des Rentenbeginns und der Rentenhöhe ablesen, ob Du Deine Rente versteuern musst, falls Du ausschließlich eine gesetzliche Rente beziehst. Die Zahlen stellen die Brutto-Rente dar, das heißt, die Einnahmen aus der gesetzlichen Rentenversicherung inklusive 7,95 Prozent Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (inklusive durchschnittlichem Zusatzbeitrag) und 3,05 Prozent Pflegeversicherung. Sie gelten für einen ledigen Steuerpflichtigen. Als Monatsrente sind die seit Juli 2022 erhöhten Rentenzahlungen zu verstehen. Für Ehepaare, die sich zusammen veranlagen lassen, gelten die doppelten Beträge.
Überschreitest Du diese in der Tabelle dargestellten Beträge im Jahr 2022, musst Du befürchten, Steuern zahlen zu müssen. Liegst Du deutlich darüber, solltest Du zügig prüfen, ob Du für die Vorjahre Steuererklärungen nachreichen musst. Erledige das möglichst schnell. Schließlich könnten Finanzämter 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, für jeden Verspätungsmonat Zinsen verlangen.
Steuerfreie Bruttorenten 2022
1Bruttorente
2Monatsrente zweites Halbjahr 2022
gerechnet mit 3,05 % Beitrag zur Pflegeversicherung, 7,95 % zur Krankenversicherung (durchschnittl. Zusatzbeitrag) abzüglich Pauschbeträge Werbungskosten, Sonderausgaben
Quelle: Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine e.V. (BVL)
Maximale steuerfreie Bruttorente im Jahr 2022 in Euro
Das Bundesfinanzministerium hat ähnliche Werte in einer ausführlichen Tabelle dargestellt. Anhand dieser kannst Du auch nachvollziehen, wie dieser Betrag berechnet wird. Nach der BMF-Berechnung liegt für einen Neurentner des Jahres 2022 eine steuerunbelastete Jahresbruttorente bei höchstens 14.636 Euro im Steuerjahr 2022.
Die Steuerpflicht greift demnach bei vielen Neurentnern. Doch viele Ruheständler können diverse Beträge steuerlich absetzen. Daher lohnt es sich, jeden Einzelfall für sich zu prüfen – und so mancher Rentner muss nach Abgabe einer Steuererklärung doch keine Steuern zahlen.
Im Steuerjahr 2022 gilt der auf 10.347 Euro erhöhte Grundfreibetrag.
Tipp: Mit dem Alterseinkünfte-Rechner des Bayerischen Landesamts für Steuern können Rentner kostenlos kalkulieren, wie hoch eine mögliche Einkommensteuer ausfällt. Viele Rentner müssen nur geringe Steuern zahlen.