Gemälde von franz marc der turm der blauen

Eine ganze Museumswand für eine kleine Postkarte! Fein gerahmt, auf goldgelben Grund gehängt, eine effektvolle Inszenierung, die jeden Besucher der Graphischen Sammlung magisch anzieht. Es ist Franz Marcs einzige farbige Vorzeichnung zu seinem berühmten Gemälde „Der Turm der blauen Pferde“, die er 1912 an seine platonische Freundin Else Lasker-Schüler als Neujahrsgruß sandte. Sie zeigt die spätere großformatige Komposition in Reinform. Nur der sichelförmige Mond und die in kindlicher Manier hingestrichelten Sterne auf dem Tier im Vordergrund sind eine Verbeugung vor dem verspielten Bildkosmos der Malerin.

In der Hauptstadt des „Blauen Reiters“ ist diese Karte im Besitz der Graphischen Sammlung und genießt beinahe den Status einer Reliquie. Denn das Gemälde gibt es nicht mehr, diese 1913 im oberbayerischen Sindelsdorf entstandene Ikone der klassischen Moderne ist verschollen.

Seit beinahe acht Jahrzehnten beschäftigt das Mysterium des Bildes manisch alle möglichen Spurenleser – Kunsthistoriker und Detektive, Autoren und Journalisten. Selbst jeder durchschnittlich Kunstinteressierte, der andere Tierdarstellungen Marcs, besonders das „Blaue Pferd“ aus dem Münchner Lenbachhaus, im Kopf hat, glaubt es zu kennen.

Das Gemälde ist verschollen, der Mythos wächst

Eigentlich erstaunlich, dass sich bislang noch kein Filmemacher für diesen Kunstkrimi interessiert hat. Was geschah mit dem auffallend großen Bild, das zwei Meter hoch war? „Vermisst“ steht als Motto über der Schau in der Pinakothek der Moderne. Sie könnte auch „Wanted!“ heißen. So intensiv sind Wünsche, Hoffnungen, Gedanken, Fantasien mit diesem Schlüsselwerk verknüpft, dass ein spannendes Kunstexperiment entwickelt wurde. In diesem Projekt begaben sich in Berlin und München wichtige zeitgenössische Künstler „Auf die Suche nach einem verschollenen Meisterwerk“.

Das manifestiert sich in der Ausstellung „Vermisst“, einer Kooperation mit dem Berliner „Haus am Waldsee“, wo sich eine Riege internationaler Künstler dem „Turm der blauen Pferde“ mit jeweils unterschiedlichen Aufarbeitungsstrategien nähert. Dabei wirken die Rechercheergebnisse völlig disparat, obwohl sich offensichtlich keiner der ästhetischen Faszination des Turms entziehen konnte.

Wie stark das Original noch immer präsent ist, demonstriert beispielsweise Viktoria Binschtoks Fotoserie mit Pferde-verzierten Merchandising-Produkten wie einer Handyhülle. Das macht auch Dieter Blum mit seinem Riesen-Pferde-Tableau in Blau sichtbar, in das man sich nur noch die Marlboro-Cowboys denken muss. Bei Slawomir Elsner ist die Erinnerung bereits verblasst; nur vage sind Formen und Farben noch zu erahnen. Am eindrucksvollsten Thomas Klippers Bodenholzschnitt: Er folgte den „Spuren des Kriegs“, indem er kriegsbegeisterte Zitate aus den „Briefen aus dem Feld“ und blaugrundige Skizzen Franz Marcs mit den Panzerketten eines „Leopard 2“ drucken ließ.

Der Schöpfer ist tot, das Bild ist auch tot

Tatsächlich war das Gemälde bereits bekannt und beliebt, lange bevor es verschwand. Galt es doch als allgemeines Kulturgut des Bildungsbürgertums der Weimarer Republik, denn kein deutscher Expressionist war so populär wie Franz Marc. Bereits nach den ersten Ausstellungen, in denen „Der Turm der blauen Pferde“ präsentiert wurde, gab es Reproduktionen, die von Plakaten bis zu Sammelbildchen oder Abdrucken auf Zigarrendosen reichten. Es schmückte Jugendzimmer und Schulräume, wurde in Kinderbüchern und Lexika publiziert. Das war deshalb so sensationell, weil Marcs Meisterwerk in Deutschland nur 18 Jahre öffentlich zu sehen war.

Doch was geschah mit dem Bild, das Kunsthistoriker Stefan Koldehoff „das Bernsteinzimmer der klassischen Moderne“ nennt? Im Krieg verbrannt, bewusst zerstört, unentdeckt in einem Depot, ins Ausland verkauft? Theorien, Spekulationen, immer wieder heiße Spuren, die sich als heiße Luft erweisen, auch schlechte Fälschungen en masse. Maria Marc, die Witwe des Malers, beauftragte 1951 gar einen Hellseher, der platt orakelte: „Der Schöpfer ist tot, das Bild ist auch tot.“

Sicher ist der Mythos des Gemäldes stark verknüpft mit der tragischen Biografie des Künstlers. Daran hatten Zeitgenossen, Freunde, Kriegskameraden, aber auch die Nachgeborenen ihren Anteil. Wenn etwa Wassily Kandinsky die Entstehung des Bildes in der eiskalten Dachkammer beschreibt, wo Marc mit Pelzkappe und Pelzmantel arbeitete, wenn sein Kompaniechef ihn posthum als Kriegshelden idealisierte. Tatsache war, dass Marc zwei Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs bei einem Erkundungsritt nahe Verdun erschossen wurde. Ein ebenso tragischer wie sinnloser Tod, hatte sich der Künstler doch nach kurzer Kriegsbegeisterung innerlich schnell vom heroischen Kampf fürs Vaterland distanziert.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist "Der Turm der blauen Pferde" verschollen. Das Gemälde inspirierte aber viele andere, etwa die Künstlerin Tatjana Doll zu ihrem Werk "RIP - ...Lost and Found" (2016).

Quelle: VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Die Begeisterung für dieses Tierbild überlebte: Vier Pferde, die sich zusammendrängen vor einer Gefahr. Das Sehnsuchtsblau der deutschen Romantik. Sein „Turm der blauen Pferde“ wurde bei den ersten Ausstellungen in München und Berlin – den Schicksalsorten für Marcs Kunst – als Symbol einer unsagbaren Gefährdung interpretiert und stand schon früh für die Anerkennung der expressionistischen Avantgarde durch die Öffentlichkeit.

Dazu kommt die wechselvolle Geschichte des Bildes, die im geheimnisvollen Verschwinden gipfelt. Im Jahr 1919 für den damals stattlichen Preis von 20.000 Reichsmark durch die Berliner Nationalgalerie erworben, kam es 1937 in die Münchner Schandschau „Entartete Kunst“. Doch schon nach wenigen Tagen entfernte man ganz lautlos ohne großen Aufhebens den „Turm der blauen Pferde“ als einziges der insgesamt fünf gebrandmarkten Werke des Malers. Dies geschah aufgrund des Protests couragierter Bürger und einstiger Kriegskameraden.

Sogar Göring soll hinter dem Bild hergewesen sein

Ab da verlieren sich alle Spuren – aber sie zeigen nach Berlin. Offensichtlich hatte Hitlers späterer Reichsmarschall Hermann Göring ein Auge auf das Bild geworfen; zwar galt er als Liebhaber von Lucas Cranach und Rubens, deren Werke seine diversen Landsitze schmückten, doch wählte er für sich durchaus auch andere Filetstücke unter den konfiszierten Arbeiten aus. Davon zeugt das Faksimile einer Liste mit verschiedenen Kunstwerken, bei denen hinter dem „Turm der blauen Pferde“ der Vermerk steht, dass Göring das Bild für seine Privatsammlung wollte – entartet hin oder her!

In den Wirren nach Kriegsende wollen es zwei Zeugen in Berlin, in eben jenem „Haus am Waldsee“, gesehen haben; allerdings gingen deren Aussagen, wo, wann und wie stark auseinander. Der letzte, damals ein vierzehnjähriger Pfadfinder und späterer „Zeit“-Journalist, erkannte es angeblich noch im Jahr 1949, aus dem Rahmen geschnitten, in einem Berliner Jugendheim. Doch das Gemälde blieb verschollen – und dabei höchst lebendig. Je weniger man vom Verbleib des Originals wusste, desto mächtiger wurde der Mythos, desto abenteuerlicher die Gerüchteküche.

Mal führte sie die Fahnder in die Vereinigten Staaten, um den Soldaten zu finden, der das Gemälde in einem Ministerium fotografiert hatte, dann in die Schweiz, wo es in einem unterirdischen Bankdepot in Zürich lagern sollte. Die Beschäftigung mit dem Kultbild des 20. Jahrhunderts hält noch immer an.

„Vermisst. Der Turm der blauen Pferde von Franz Marc. Zeitgenössische Künstler auf der Suche nach einem verschollenen Meisterwerk“, München, Pinakothek der Moderne, bis 5. Juni 2017

Was kostet das blaue Pferd von Franz Marc?

Die Stadt will mit dem Großteil ihrer Immobilien, aber auch mit den Sammlungen ihrer Museen eben nicht handeln, obwohl allein Franz Marcs "Blaues Pferd" 13 Millionen Euro wert wäre und die gesamte Sammlung Blauer Reiter mit 682 Millionen Euro der bilanzrechnerisch wertvollster Besitz der Stadt ist.

Was bedeutet die Farbe Blau für Franz Marc?

Für Franz Marc hatte die Zahl der dargestellten Tiere Bedeutung (eins = Sinnbild; zwei = Paar; drei = »heilige Drei« oder »Mysterium der Familie"), und erst recht hatten die Farben Symbolwert: »Blau ist das männliche Prinzip, herb und geistig. Gelb das weibliche Prinzip, sanft, heiter und sinnlich.

Wo sind die Bilder von Franz Marc ausgestellt?

Franz Marc Museum am Kochelsee: Die Kunst des "Blauen Reiters" Franz Marc gehörte im 20. Jahrhundert zu den bedeutendsten Künstlern in Bayern. Ihm zu Ehren entstand 1986 das Franz Marc Museum in Kochel am See, in dem einige seiner Bilder zu sehen sind.

Wo hängt das blaue Pferd von Franz Marc?

Blaues Pferd I ist der Bildtitel eines Gemäldes von Franz Marc (1880–1916). Es gehört zu den bekanntesten Bildern des Malers und ist Bestandteil der Sammlung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München.

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